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«Wandzeitung» vom 26.1.2017:

Auch bei einem Nein wird sich die Welt weiterdrehen:

Zurück auf Feld 1.

Ich bin mich harte Abstimmungskämpfe gewohnt. Aber die Diskussion um die Unternehmenssteuerreform III (USR III) gerät zunehmend ins Absurde. Da täuscht der Gewerbeverband in seiner Abstimmungszeitung vor, dass SP-Ständeräte für die Reform seien. Was nachweislich eine Lüge ist. Da verweigert der Bundesrat im Abstimmungstext Schätzungen zu den finanziellen Folgen – nachdem das Stimmvolk bei der vorgängigen Unternehmenssteuerreform II bereits getäuscht wurde. Da macht der Branchenverband der grössten Industrie- und Dienstleistungskonzerne eine Umfrage bei seinen Mitgliedern – und die behaupten mehrheitlich, sie würden bei einem Ja mehr Steuern zahlen. Wer’s glaubt. Und da redet der Wirtschaftsverband Economiesuisse mit einer bezahlten Studie den Untergang der Schweiz herbei, sollten es die Stimmberechtigten wagen, Nein zu stimmen.

Ihre Nervosität ist verständlich, denn es winken Milliardengeschenke. Dank ihren bürgerlichen Freundinnen und Freunden im Parlament und in der Regierung haben sie aus der Reform einen Selbstbedienungsladen gemacht. Dieser hat es in sich, wie nur zwei dieser neuen Steuertricks zeigen: Mit der zinsbereinigten Gewinnsteuer sollen finanzstarke Firmen einen Zins auf überdurchschnittlich hohem Eigenkapital abziehen können – obwohl sie diesen Zins gar nicht bezahlen. Das funktioniert in etwa so, wie wenn ich zwar keine Hypothek habe, aber bei den Steuern einen Hypothekarzins abziehen kann. Oder die sogenannte Inputförderung:

Bereits heute können Firmen Aufwände für Forschung und Entwicklung vollständig von den Steuern abziehen. Neu sollten sie diese Abzüge zu 150 Prozent machen. Das wäre so, wie wenn Eltern mit zwei Kindern nicht nur externe Kinderbetreuungskosten für zwei, sondern für drei Kinder abziehen könnten. Reichlich absurd. Eine Entlastungsobergrenze von 80 Prozent sieht immerhin vor, dass aus all den Steuertricks keine Nullbesteuerung resultieren wird, sondern mindestens 20 Prozent des steuerbaren Gewinns zu versteuern sind. Für die Steuererklärung von normalen Steuerzahlenden übersetzt heisst das: Wer ein steuerbares Einkommen von 80 000 Franken hat und 64 000 Franken (=80Prozent) abziehen kann, zahlt noch auf 16 000 Franken Steuern. Und die Steuerrechnung wird zusätzlich tiefer, weil der Gewinnsteuersatz von 8 auf 6 Prozent gekürzt werden soll.

Dass das nicht gratis zu haben ist, leuchtet ein. Schätzungen gehen von jährlichen Steuerausfällen in der Höhe von über 3 Milliarden Franken aus (für Winterthur: 24 Millionen). Steuererhöhungen für uns normalen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler werden die Folge sein. Oder höhere Eintritte in die Badi, höhere Kinderbetreuungskosten und weniger Prämienverbilligung.

Ich kann die Droher/innen von Abwanderung und Arbeitsplatzverlusten beruhigen. Auch bei einem Nein wird die Welt weiterdrehen. Es bedeutet lediglich: Volksvertreterinnen und Volksvertreter, geht zurück auf Feld eins und kommt mit einer Vorlage, die uns nicht Milliarden kostet. So einfach.


Mattea Meyer,
26.1.2017, 116. Jahrgang, Nr. 26.

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