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«Wandzeitung» vom 15.4.2017:

Wie die russische Opposition den Superreichen über die Zäune blickt:

Der Quadrokopter der Gerechtigkeit.

Auch in Russland haben sich die Quadrokopter, jene ferngesteuerten Helikopter mit Videokamera, schnell verbreitet. Im Internet finden sich faszinierende Ansichten aus der Vogelperspektive, zum Beispiel vom historischen Zentrum St. Petersburgs.

Doch die viermotorigen Videodrohnen wurden auch populär, weil sich damit problemlos ein Blick in verbotene Bereiche werfen lässt, die in Russland besonders reichlich vorhanden sind. Seien es illegale Deponien oder Baustellen – oder einfach protzige Datschen, deren Besitzer vor neugierigen Blicken geschützt sein wollen. Hatte bisher ein drei Meter hoher Zaun mit Videokameras und Stacheldraht gereicht, um vor Augenzeugen sicher zu sein, so können diese nun problem- und noch dazu fast lautlos überflogen werden.

Das hat sich der populäre russische Blogger und Oppositionspolitiker Alexei Nawalny zu Nutzen gemacht. Im Rahmen der Ermittlungen seines «Fonds zum Kampf gegen Korruption» rückt er mit Hilfe von Drohnen-Videos der Klasse der Superreichen und Supermächtigen auf die Pelle. Immer wieder lässt er den Quadrokopter über Anwesen im «Speckgürtel» Moskaus oder an der Schwarzmeerküste aufsteigen, die der eine oder andere Günstling Putins angeblich geschenkt bekommen hat, auf illegalem Weg oder mit illegal erworbenen Mittel gekauft und gebaut haben soll.

Für den grössten Skandal sorgte 2016 die Entdeckung der «geheimen Datscha» von Premierminister Dmitri Medwedew, die in malerischer Umgebung am Wolgaufer unweit des Fleckens Pljos liegt, das durch den Maler Isaak Lewitan bekannt wurde. Das 80 Hektaren grosse Anwesen wurde auf dem Grund der Residenz «Milowka» einer Adelsfamilie aus dem 18. Jahrhundert errichtet. Es verfügt über einen eigenen Jachthafen, Hubschrauberlandeplätze, ein kleines Skigebiet, Gästehotels, Schwimmbäder und soll einen Wert von 25-30 Milliarden Rubel (rund eine halbe Milliarde Franken) haben.

Besonders reizte die Öffentlichkeit das Entenhäuschen auf dem Teich vor der Residenz, das im Video aus der Luft speziell gekennzeichnet wurde. Es inspirierte die Opposition dazu, ein gelbes Gummi-Entchen zum Maskottchen der kürzlich organisierten Antikorruptions-Demos in ganz Russland zu machen. In allen Formen und Grössen tauchte Medwedews Ente auf Plakaten und Flugblättern auf. Die Wut auf den Reichtum des Premierministers begründet sich insbesondere auf seinen Kommentar gegenüber Pensionären auf der Krim, die ihn nach der Erhöhung der Renten fragten: «Es gibt kein Geld. Halten Sie durch. Alles Gute und Gesundheit.»

Die Massenproteste und Nawalnys Frechheit sowie seine Ambitionen, 2018 als Präsidentschaftskandidat gegen Putin anzutreten, versetzten den Kreml in Alarmstimmung. Bereits hat der Oligarch und Multimilliardär Alischer Usmanow, dem Nawalny ebenfalls schon ans Bein gepinkelt hat, eine Gerichtsklage wegen Verleumdung gegen den unbequemen Oppositionellen eingereicht. Bestimmt ist es auch bis zu einem Verbot von Quadrokoptern für Privatpersonen nicht mehr weit – zum Beispiel wegen der Gefahr von «Gehirnerschütterung».


Eugen von Arb,
15.4.2017, 116. Jahrgang, Nr. 105.

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