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«Wandzeitung» vom 10.12.2014:

Rückspiegel:

Kleines Denkmal für Anna Jenny, Tildi Bosshardt, Lilly Schiegg ...

Rudolf von Habsburg, Richard Wagner, Napoleon, Johann Jakob Rieter, Jonas Furrer, die Familie Sulzer: Mit dem Jubiläum zum Winterthurer Stadtrecht wurden die grossen Namen aus der Winterthurer Geschichte gefeiert. Anna Jenni, Tildi Bosshardt, Lilly Schiegg: Drei Frauen, die dagegen weitgehend unbekannt sind. Stellvertretend für die Arbeiterinnen und Arbeiter, die mindestens so viel zum Gedeihen der Stadt beigetragen haben wie das Grossbürgertum, Kriegsherren, Gewerbe und Politiker, nachfolgend eine kleine Hommage an diese Frauen.

Anna Jenny, Tochter eines Fabrikarbeiters aus Töss, wird früh politisiert. 23-jährig ist sie, und sie arbeitet 1936 als Modistin in einer kleinen Hutfabrik an der Winterthurer Marktgasse. Sie arbeite gerne – wenn nur die ständige Überzeit nicht wäre. Auch zu Hause kriegt sie deswegen Ärger. Der Vater glaubt ihr nicht, dass sie fast jeden Tag ein, zwei Stunden mehr arbeiten muss. Er vermutet, dass nicht Überzeit, sondern ein Freund dahintersteckt, wenn Anna erst spät abends nach Hause kommt. Anna entscheidet sich zum Schritt nach vorne: Sie geht zum Patron und teilt ihm mit, dass die Arbeiterinnen in den Streik treten würden, falls die Überzeit in Zukunft nicht bezahlt und ausgeglichen werde. Damals ein ungeheuerlicher Schritt für eine junge Frau, die gleichsam Stelle und Beruf aus Spiel setzt – denn würde sie entlassen, fände sie sicher in ihrem Beruf in Winterthur keine andere Stelle ...

Tildi Bosshardt, Frau des VHTL-Sekretärs und Kantonsrates Sepp Bosshardt, ist wie ihre Genossinnen der SP-Frauen Töss eine ständige Aktivistin für das Frauenstimmrecht. In den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts wird sie bekannt, weil sie vor geschlossener Eisenbahn-Barrieren Flugblätter verteilt – vor allem immer wieder für eine Gleichstellung der Frauen, aber auch andere Anliegen der SP-Frauen.

Lilly Schiegg steht als Frau des SP-Stadtrates Franz Schiegg vielfach in dessen Schatten. Aber im Hintergrund kämpft sie auf ihre Weise für mehr Einfluss der Frauen in Politik und Gesellschaft. Sie organisiert die Aktivitäten der SP-Frauen Töss, Referate, Versammlungen, karitative Aktionen. Als Mitglied der SP-Frauen wirkt sie in verschiedenen Kommissionen mit. Coop-Genossenschaftsrat, Armenpflege, Kindergarten, Nähschulkommission, Hort, Mütterspendenkommission: Wo immer es möglich war, versuchten die SP-Frauen aus Töss mitzureden, mitzubestimmen. Lilly Schiegg setzt sich aber auch innerhalb der Arbeiterbewegung für mehr Rechte der Frauen ein. Nicht zuletzt auf ihre Initiative hin wird 1958 an der 1.- Mai-Feier erstmals einer Frau für zehn Minuten das Wort erteilt. Und nach der Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Frauen fordert sie, dass Frauen bei der SP ganz vorne auf den Listen platziert würden. Eine Forderung, die erst fast zwanzig Jahre später konsequent umgesetzt werden wird ...

Drei Frauen aus der Winterthurer Geschichte, auf die ganz Winterthur stolz sein kann. Die völlig unspektakulär und doch so bewunderungswürdig sind, wie die Sulzers, Reinhardts, Rieters oder so ...


Matthias Erzinger,
10.12.2014, 113. Jahrgang, Nr. 188.

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