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«Wandzeitung» vom 12.10.2016:

Statt auf Anglizismen zurückzugreifen, sollten wir nach dem deutschen Gegenstück suchen.

Ein Input ist eine Anregung.

Anglizismen scheinen sich im deutschen Sprachgebrauch zu vermehren. Ich selber versuche, sie zu vermeiden, indem ich ihr deutsches Gegenstück unter die Leute bringe. So sage ich zum Beispiel Rückmeldung statt feedback, Beziehungen statt connections, Aussage statt statement oder eben Anregung statt input. Ich gebe zu, es gibt englische Wörter, für die es kein ebenso treffendes deutsches Wort gibt, wie beispielsweise brainstorming. Meistens käme man aber ohne das englische Wort aus. Vor wenigen Wochen sah ich ein Fernseh-Interview mit dem neuen SRF3-Moderator Stefan Büsser. Er sprach tatsächlich von credibility! Wieso konnte er nicht einfach Glaubwürdigkeit sagen? Wollte Büsser, vielleicht auch unbewusst, fremdsprachengewandt rüberkommen?

Auch einige meiner Freunde und Bekannte flechten oft englische Ausdrücke ein, dies sieht zum Beispiel so aus: Wir sind mit den kids in den Zoo gegangen, ja, mit der ganzen familiy, alle waren happy. Eine Freundin meinte, happy könne nicht mit glücklich übersetzt werden. Aber es gibt ja noch andere Adjektive. Französische Wörter im deutschen Sprachgebrauch sehe ich als Bereicherung, zumal Französisch ja eine Landessprache ist. Plädoyer, Retraite, Renommee sind nicht passé und als Pendant zum deutschen Wort willkommen. Diffizil klingt etwas elitär, aber besser als das konträre simple easy ist es allemal. Das Wort style als (stail) ausgesprochen hingegen tut weh in den Ohren und noch mehr in den Augen, wenn die englische Aussprache dazu führt, dass man vergisst, wie das Wort auf Deutsch geschrieben wird. Bestimmt nicht so: Styl – habe ich aber auch schon so gesehen.

Das vermeintlich Lockere, das man mit Anglizismen in die deutsche Sprache bringen möchte, kommt wohl eher aus den USA als aus Grossbritannien. Easy, strange, chillen klingt in vielen Ohren angesagter als ein deutsches Wort mit ähnlicher Bedeutung. Unsäglich der Name einer neuen hiesigen Organisation: House of Winterthur. Es ist dies der Zusammenschluss von Winterthur Tourismus und Standortförderung Region Winterthur. House of Winterthur: Für mich ist dieser Begriff hohl, etwas peinlich und einfach fehl am Platz. Eventuell wäre ein witziger und klügerer Name ausgefallen, hätte die Winterthurer Bevölkerung mitreden können bei der Namensgebung. Einzige Voraussetzung: keine englischen Wörter.

Einige deutsche Wörter und unser Müesli haben es in den englischen Sprachgebrauch geschafft, aber so zahlreich wie die Anglizismen in der deutschen Sprache sind sie nicht. Da sind zum Beispiel Alphorn, Bildungsroman, Bratwurst, Gemütlichkeit, Kitsch, Kraut – auch als stereotypische Bezeichnung für Deutsche; im Tessin steht noch immer irgendwo an einem Strassenrand der Satz «Krauti go home» – leitmotif (für Leitmotiv), Oktoberfest, Rucksack, Seelenlandschaft, Wahlverwandtschaft, Waldsterben, Weltpolitik, wunderbar, Zugzwang.

Während oft nur intellektuelle Englisch-Sprechende ihre Sätze mit deutschen und anderen fremdsprachigen Wörtern schmücken, verraten wir unsere Sprache, indem wir (oft simple) englische Ausdrücke verinnerlichen und dabei das deutsche Pendant langsam, aber sicher vergessen. Was für eine Schande.

 


Rosmarie Schoop,
12.10.2016, 115. Jahrgang, Nr. 286.

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Standpunkte:

6.11.2016, 19:44 Uhr.

Walter Kägi schrieb:

Wie wahr! Die Migros nervt auch mit ihren englischen Beschilderungen in den Läden. Der Coop ist mit seinen englischen Werbefilmen für CH-Publikum noch peinlicher, weil es anbiedernd wirkt. Wenn man so krampfhaft cool wirken möchte ist es extrem uncool. Ich liebe die englische Sprache und sehe Filme gerne in Orginalsprache. Sich korrekt und gepflegt auszudrücken ist eine Stilfrage.


15.10.2016, 08:50 Uhr.

Herbert Danzer schrieb:

Ein derart ausgeprägtes Denglisch wie das der deutschen Modeschöpferin Jil Sander ist zum Glück selten: «Mein Leben ist eine giving-story. Ich habe verstanden, dass man contemporary sein muss, das future-Denken haben muss. Meine Idee war, die hand-tailored-Geschichte mit neuen Technologien zu verbinden. Und für den Erfolg war mein coordinated concept entscheidend, die Idee, dass man viele Teile einer collection miteinander combinen kann. Aber die audience hat das alles von Anfang an auch supported. Der problembewusste Mensch von heute kann diese Sachen, diese refined Qualitäten mit spirit eben auch appreciaten. Allerdings geht unser voice auch auf bestimmte Zielgruppen. Wer Ladyisches will, searcht nicht bei Jil Sander.» Magazin der FAZ, 22.3.1996.
Arg, nicht? :-)


13.10.2016, 17:14 Uhr.

Rosmarie Schoop schrieb:

Mich nervt’s einfach. Heute (wieder einmal) gelesen: taff («eine taffe Frau»). Ein Gärtner letzte Woche: «So haben die Pflanzen mehr power.»


13.10.2016, 10:06 Uhr.

Herbert Danzer schrieb:

Ich halte die Bedrohung des Deutschen durch Anglizismen für nicht so dramatisch, schliesslich liegt ihr Anteil am deutschen Wortschatz nur bei etwa 3 bis 4 Prozent. Manche englische Begriffe, die sich im Deutschen eingebürgert haben, wären auch gar nicht so einfach durch deutsche Ausdrücke zu ersetzen (z.B. CD, Doping, Download, Internet, Jazz, Laptop, Pullover ...). Lächerlich klingen für mich allerdings beispielsweise hochtrabende englische Berufsbezeichnungen wie etwa Facility Manager für Hausmeister, Environment Improvement Technician für Putzfrau, Vision Clearance Engineer für Fensterputzer, Technical Horticultural Maintenance Officer für Gärtner oder Crockery Cleansing Operative für Tellerwäscher.


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