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Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
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«Wandzeitung» vom 7.12.2017:

Zeitungen sind einem fürchterlichen Krieg ausgesetzt, sie haben schlicht keine Lobby mehr:

Kein Schwein interessiert sich für sie.

Während meiner Jugend lag die ”Winterthurer AZ” und der ”Landbote” stets auf der wenig stilvollen Eckbankablage in unserer leider nicht gewaltfreien Oberwinterthurer Stube. Mein wenig gelassener und psychisch angeschlagener Vater legte offensichtlich trotz seiner groben Schwächen viel Wert auf die sozialdemokratische wie die bürgerliche Tageszeitungen. Denn die beiden Blätter kosteten – den im Übrigen politisch korrekten Steindrucker und Gewerkschafter – keinen Pappenstiel. Sobald der Steindrucker jeweils gegen 13 Uhr die Wohnung verliess, konnte ich mir die Zeitungen angeln und mich lesend vergnügen. Am meisten interessierten mich die Texte über Winterthur, später kamen freilich andere Ressorts auch dazu. Es wunderte mittlerweile niemanden in meinem Umfeld, dass ich zwischen 1990 bis 2009 Verleger der AZ und nach einer inhaltlichen Texterweiterung des vierzigseitigen ”Stadtblatts” erfolgreich wirkte. Ein kleines bezahlbares Team wurde von über 40 ehrenamtlich engagierten mitschreibenden Personen verstärkt, die jährlich mit einem leckeren Speisen und köstlichem Trank im Jahr belohnt wurden – was sie stets sehr schätzten. Bedauerlicherweise war ich einer der ersten Verleger in der Schweiz, der seine Leidenschaft zu allem Unglück aufgeben musste. Ironie des Lebens ist, dass sich Walter Fuchs, Herausgeber der ”Toggenburger Nachrichten” gemeinsam mit mir für alle lokalen Zeitungen in der Schweiz engagierten. Wir sprachen und sprechen auch weiterhin mit politischen Menschen aller Couleur, wie mit Verlegerinnen und Herausgebern in der ganzen Schweiz. Wir hören, dass wir publizistisch immer mehr und mehr leisten: Dennoch schrumpfen die Werbeeinnahmen weiterhin. Aber wie soll das mit den kleinen Medien gehen? Wir kreierten ein Modell der indirekten Presseförderung – ohne Erfolg. Schade. Es schaut allerdings auch derzeit noch so aus, als ob sich kein Schwein mehr für papierene Medien einsetzen würde.

Die noch bestehende kleine Schar der Zeitungen mit keinen weltmeisterlichen Auflagen wie der 13 TV-Stationen und 21 Radiosender werden bei einem Ja zur No-Billag-Initiative am 4. März dem Untergang geweiht sein. Selbstverständlich liegt mir als Winterthurer Lokalpatriot das hiesige Radio Stadtfilter ganz besonders am Herzen, und alle eigenständigen kleinen Medien dazu.

Bei den noch bestehenden Zeitungen mit geringeren Auflagen, gehe ich davon aus, dass bei einem Nein zur NoBillag-Initiative die ersten 10 000 Blätter für die Herausgeber keine Verteilkosten verursachen. Auch bei den kleineren privaten Radios und Fernsehen, dort wo die kleineren Brötchen gebacken werden, soll lediglich eine bescheidene Gebühr anfallen. Und die Zwangsgebühr ohne Radio- und Fernsehgerät im Haus geht gar nicht. Mehr Vielfalt und weniger Staatsdiktat sind gesetzt.

Unter solchen – bescheideren – Umständen könnte ich mich mit Überzeugung für eine Nein zur Initiative entschliessen und für ein Ja für die weniger Arrogante SRG. Andernfalls wird es für die Aktiven in diesem fränklilastigen Mediengeschäft gewiss zu mindestens einer weiteren Abstimmung kommen. Ich bleibe Zeitungs-Lobbyist, auch wenn sich kein Schwein mehr fürs Papier engagiert.


Guido Blumer,
7.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 341.

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