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«Wandzeitung» vom 19.9.2014:

Wenn Lebenssubstanzen den Teer und Beton durchdringen:

Garten und Stadt gleich Gartenstadt.

Winterthur liegt in einer Gartenstadt. Das ist die Herausforderung an unsere Planer und Architekten. Denn es ist etwas anderes, eine Stadt in einen Garten zu bauen als mittels Gestaltungsplänen zu klotzen. Leicht wird man verführt, in ein ehemaliges Industrieareal Legobauten aus Beton & Teer mit Bäumen als Schamhaare zu pflastern. Der Katharina-Sulzer-Platz ist ein Beispiel dafür. Gehen wir davon aus, dass Lebenssubstanzen selbst Beton & Teer durchdringen, um Garten und Stadt zu vereinen. Es reicht dennoch nicht, diese Bauten fürs Wohnen und Arbeiten mit künstlicher Luft zu beatmen und zwecks Erholung, Spiel und Pause den Boden stellenweise mit Kies zu bedecken, nur um Garten vorzutäuschen. Eine so blockierende Bauweise verhindert aktiv, Winterthur im Eulachtal aus dem Risiko der roten Zahlen zu ziehen.

Winterthur liegt im Eulachtal. Eingebettet in ihre Hügel ist es der Stadt über Jahrhunderte gelungen, selbst eine Industrie mit internationaler Bedeutung aufzubauen. Immer mehr Landwirtschaft und Acker legten die Stadtältesten aber in Gärten an. In der Altstadt finden sich noch heute Hinterhöfe und Gartenbeizen als Erholungsraum. Im Industrieareal wurde gearbeitet und ausserhalb, respektive in der Stadt wurde gewohnt. Wenn jetzt das urbane Gärtnern Furore macht und CoopMigros & Co. ihre alten Einkaufswägelchen auf neu-grüne Weise entsorgen, so heisst das nicht, dass dieser neue Ökologiegedanke den Immobilienplanern und Architekten erlaubt, im einfältigen Baukastensystem jeden Grashalm in Grund und Boden zu stampfen.

Würden nämlich die Strassen nicht regelmässig nachgeteert, wären es die Pilze und Gräser, die die verhärtete Haut zum Verschwinden bringen könnten. So wird es dereinst auch den ideenlosen Bauten ergehen, die bekanntlich einzugsbereit sind, bevor die Lüftungen den Beton besingen.

Die Erde lebt. Sie ist unser Zeitgenosse. Dafür hegen wir Verantwortung. Wollen wir aber Winterthur in voller Bandbreite aus der Balance bringen, weil wir beim Bauen die Lebenssubstanzen der Stadt empfindlich ignorieren, dann hat schon bald auch die liebevolle Altstadt mit ihren lebenswerten Wohnungen ausgedient. Türme und Tore sind niedergerissen. Sie blockieren die Stadt virtuell. Aus alter Zeit bedrücken die geschliffenen Steine aus dem Kloster Beerenberg beim Club zur Geduld die Innenstadt. Auch nicht gerade ein Ruhmesblatt. Die belasteten Steine sind wohl der Grund, warum in diesem Gebäude das Tragen eines Kittels obligatorisch ist.

Mich friert es. Wohl ist es möglich, näher zusammenzurücken. Aber dann bitte doch so, dass die Winterthurer und ihr unendlicher Zeitgenosse, der Garten, zusammen im Lot bleiben. Diese Balance zu finden gelingt, und da bin ich mir zuversichtlich, wenn wir die Pläne genau prüfen, und sie nicht einfach dem Schicksal von Giganten überlassen. Denn sonst, da bin ich mir genauso sicher, dürften in absehbarer Zeit CoopMigros & Co. ihre Einkaufswagen wieder anderweitig entsorgen. Wo keine Gärten sind, bleibt auch der Kürbis auf dem Balkon stecken - und irgendeinmal wird alles bewaldet sein.


Heiner Dübi,
19.9.2014, 113. Jahrgang, Nr. 106.

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