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«Wandzeitung» vom 23.11.2017:

Ist Winterthur wirklich eine Grossstadt?

Wer führt den Mist?

Nun sind wieder Wahlen. Da erlaube ich mir, mich an den Rand des Eschenbergs zu setzen, und nachzudenken. Der Ort ist räumlich gut gewählt. Ich überblicke den Heiligberg mit seiner Altstadt, Veltheim, Wülflingen mit seinen bewaldeten Hügeln, Töss mit dem ursprünglich wilden Schlosstal. Ja, auch Oberwinterthur mit Hegi und Seen mit seinen Aussenwachten liegen im Blickfeld. Man kann sich buchstäblich mit den Augen in die Stadt hineinfühlen. Was sich so leicht anfühlen lässt, lässt sich auch tiefer argumentieren. Unser Winterthur besteht aus einer Unzahl von Schichten, die zeitlich über 2000 Jahre und mehr zurückreichen. Davon sind die letzten tausend Jahre oberflächlich sichtbar. Was in den letzten tausend Jahren auf diesem Flecklein passiert ist, lässt sich nur vertikal sehen. Die Stadt hat eine unglaubliche, unendliche Geschichte. Unendlich gross ist die Stadt Winterthur in ihren tieferen Schichten, dass sie einen schier überfordern kann.

Wer möchte diese Stadt regieren? Eine Grossstadt ist es nicht! Wir politisieren hier derart im Kram, dass mir die Stadt kleinbürgerlich erscheint. Wir sind so viele kleine Bürger, die hier gross werden wollen, dass mir das Parlament und die daraus immer wiederkehrende Exekutive vorkommt, als spielten wir einen kleinen Bauernhof, der mit seinem Grundstück das Grossbürgertum entdeckte. Ein solcher Spagat ist nicht zu regieren; vielmehr lässt sich um die Gunst der Stunde streiten. Wozu? Was will eine Stadt sein, die mehrheitlich über den «Landboten» regiert wird? Die ländliche Stadt hat definitiv verloren, wenn sie international buhlt und lokal nach Grössenwahn strebt, der schlicht und einfach nicht Fuss, sondern Pulver fassen kann? Winterthur, ein Pulverfass?

Winterthur kann sich definitiv nicht zu einer Grossstadt entwickeln, höchstens zu einer Agglomeration, die irgendeinmal Zürich zugeschlagen werden muss, weil sie verarmt und unregierbar wird. Wir sind so klein, dass sich die Stadträte, die am ehesten die Chance haben, nicht wieder gewählt zu werden, sich mit farbigen Güselsäcken oder halsbrecherischen Abseilübungen im «Landboten» zeigen. Wir sind so klein, dass sich die Bürgerlichen in der Energie- und Verkehrspolitik um Prinzipien streiten, die gefährlich nah beim Burnout liegen. Erst alles verbrennen, um dann gewahr zu werden, selber verbrannt zu sein! Oh nein, das ist nicht die Lösung.

Wir Winterthurer müssen lernen, vertikal zu denken. So leicht fallen Strategien in Krisen um, wenn der Boden vergessen geht, auf dem unser gesamtstädtische Mist wachsen kann. Guter Mist ist Dünger! Finden wir die Politiker und Politikerinnen, die wirklich misten können? Misten heisst ausmisten, aber auch reinigen, vorbereiten, verändern, pflanzen, pflegen, entfalten und entwickeln.

Ich wünsche mir eine Entdeckungstour mit Menschen, denen man auch mal etwas Tieferes zeigen kann als Wahlkampfmuskulatur. Auch Politiker im Wahlmist dürften mal anders begleitet sein, als mit Makulatur und Dung, den niemand interessiert, es sei denn die Presse oder den Mülleimer einer Partei. Eine gute Wahl will auf wirklich gutem Mist gewachsen sein. Davon hat Winterthur viel zu bieten.


Heiner Dübi,
23.11.2017, 116. Jahrgang, Nr. 327.

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