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«Wandzeitung» vom 2.7.2017:

Alltägliches:

Rituale.

Wie wichtig Rituale sind, erfuhr ich damals, als meine Kinder klein und mit einer schwierigen Entwicklung geplagt waren. Ich lernte, dass wiederkehrende Abläufe Verbindlichkeit, Halt und Geborgenheit schaffen und es uns als Familie half, Schritt für Schritt weiterzukommen. Wir hatten so etwas Übersicht und konnten gut vergleichen, wie die Tage sich entwickelten. Natürlich musste man aufpassen, dass dadurch keine Spontanität verloren geht. Ich habe immer versucht ein Gleichgewicht zu finden, damit die Kinder lernen mit Überraschungen zu leben, sich aber trotzdem sicher in meiner Verlässlichkeit fühlen konnten. Interessant heute zu sehen, wie der eine lieber ganz die Kontrolle behält und sich der andere vertrauensvoll der Spontanität hingibt.

Wikipedia schreibt zum Wort Rituale unter anderem; «Sie finden überwiegend im Bereich des menschlichen Miteinanders statt, wo rituelle Handlungsweisen durch gesellschaftliche Gepflogenheiten, Konventionen und Regeln bestimmt und in den unterschiedlichsten sozialen und kulturellen Kontexten praktiziert werden können (Begegnungen, Familienleben, Herrschaftsvollzüge, Veranstaltungen, Feste und Feiern, religiöse Kulte und Zeremonien usw.). Zugleich sind Rituale oder ritualisierte Handlungsweisen aber auch auf der Ebene des individuellen Verhaltens anzutreffen (persönliche Rituale, autistische Rituale, Zwangshandlungen). Medizinisch relevant sind Zwangsrituale (Zwangshandlungen), die im Zusammenhang mit Zwangsstörungen von den Betroffenen gegen ihren Willen praktiziert werden.»

Wie sehr auch zwischenmenschliche Beziehungen Rituale brauchen, zeigt sich an den zahlreichen Brüchen dieser. Wenn das Spielerische der Gepflogenheiten zu Zwangshandlungen werden und das erstmals ungezwungene Bedürfnis füreinander plötzlich ins Unangenehme sich entwickelt und im verhassten endet, bis man es gänzlich meidet. Die Beziehung schläft ein oder endet mit einem krassen Bruch. Die Handhabung sich aus dem Leben anderer zu schleichen ist Charaktersache und kann sich zwischen Mut und Klarheit bis Feigheit oder Grausamkeit bewegen.

Auch dabei gibt es Menschen die ihren hauseigenen Ritualen folgen. Vieles wird vorgelebt, also abgeguckt oder dann intuitiv gelebt. Aber wie viel ist DNA und wie viel Eigendynamik?

Mein Abschied in der Kita naht. Ich durfte bisher sieben Monate an dem Gedeihen der uns anvertrauten Kinder teilhaben. Im Sommer also müssen sie dann allerhand Wechsel in der Betreuer-Ebene verkraften. Fast alle Bezugspersonen werden einen anderen Weg einschlagen. Diese Situation ist für die Kinder nicht wirklich ideal und wir beruhigen unser Gewissen mit einem Abschiedsritual. An verschiedenen Tage erzählen wir den Kindern, in gleicher Abfolge, mittels Bildern, dass wir gehen und nicht wiederkehren werden. Was davon hängen bleibt, ist ungewiss und liegt im Entwicklungsstand jedes einzelnen. Oft werden sie weitaus besser damit fertig als wir Grossen.

Ich weiss schon vorgänig, wen ich alles vermissen werde. Einige werden mich weiterbegleiten. Die Welt ist ein Kommen und Gehen. Alles was endet, schafft Platz für Neues. Nicht alles wird besser, aber erfrischend anders.


Momo Appenzeller,
2.7.2017, 116. Jahrgang, Nr. 183.

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