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«Wandzeitung» vom 3.4.2017:

Noch ein paar Regeln:

Noch einen Master, bitte!

His Masters Voice, das war ein altes Plattenlabel, zu Zeiten, als es noch Schellack und Vinyl gab. Heute ist Vinyl wieder im Kommen, es klinge wärmer als die CD. Noch etwas wärmer klingt MASTER bei den Kindergärtnerinnen: Sie sollen künftig einen Master machen dürfen. Das stimmt mich froh und glücklich. Wie könnte man sonst «Roti Röösli im Garte» singen? Das braucht Köpfchen, und zwar nicht zu knapp. Die Kinder sollen ja auch selbständig ihre Schuhe binden können. Die richtige Anweisung kann man nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Da benötigen auch Kita-Frauen profundes Hintergrundwissen. Neuropsychologie ist da erst die Basis. Also her mit einem richtigen Studium!

Politiker und Bildungsexperten entscheiden über die Anforderungen bei Ausbildung und Beruf. Das ist auch richtig, aber man sollte mit gesundem Augenmass Entscheidungen treffen. Auf der einen Seite möchte man nicht sämtliche Schülerinnen und Schüler ins Gymnasium schicken und auf der anderen Seite verlangt man ständig mehr an Studium und Ausbildung. Da landen wir dann irgendwann etwa dort,wo andere Länder uns bislang beneidet haben:

Die Schweiz wird oft bewundert und benieden um das Ausbildungsystem mit Berufslehren. Wenn wir aber im gegenwärtigen Trend bleiben, müssen in nicht allzu ferner Zukunft alle ein Matura in der Tasche haben, damit sie Master, Bachelor etc. machen können. Aber ich erwarte mehr. Es wird wichtig werden, dass eine Scannerin bei Lidl oder Aldi versteht, was passiert, wenn sie eine Banane scannt; was geschieht im inneren der Elektronik, wenn sie mit dem Code vorbeifährt? Was sind die komplizierten Abläufe, wenn der Kunde oder die Kundin die Postcard einsteckt oder mit ihr gar nur über das Terminalgerät huscht? Und wie kommt es, dass auf Ihrem Konto blitzschnell der richtige Betrag abgerechnet wird? Tut mir leid, aber da reicht nun eine gewöhnliche Detailhandeslehre einfach nicht, da muss tiefer geschürft werden.

Oder der Coiffeur: Es reicht einfach nicht, wenn er nur die Haare abgeschnippselt: er muss Bescheid wissen über die hormonellen Vorgänge bei Frauen- und Männerhaaren, die biochemischen Abläufe nachvollziehen können und vieles mehr – wo kämen wir sonst hin? Und der Schnapsbrenner muss lateinisch beherrschen, vor allem, wenn er Rum brennt, da wäre es von Vorteil, wenn er wüsste, wie der Ruhm der Welt auf Lateinisch verbrennt: Sic transit gloria mundi wäre das Mindeste, was wir von ihm erwarten. Da reicht das Vorbeispazieren bei einer Brennerei denn wirklich nicht!

Spass beiseite: unser duales Bildungssystem hat unbestreitbar grosse Vorzüge, die wir nicht so schnell vergessen dürfen. Wenn wir anfangen, für alle Berufe Maturitätszeugnisse und Master zu verlangen, sind wir bald soweit wie Frankreich oder andere Nachbarländer. Da werden uns plötzlich einige Handwerksberufe schmerzlich fehlen.

Na also: Gymnasium oder berufslehre – du kriegst was du brauchst, wenn du weiss, was du willst. Aber eben ...


Andre Bernhard,
3.4.2017, 116. Jahrgang, Nr. 93.

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