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«Wandzeitung» vom 3.9.2017:

Bach und Business?

Tönt gut ...

Diana Skinner Salesky – Sie kennen Sie nicht? Ich auch nicht, aber in der NZZ hat sie einen Artikel publiziert, der nicht nur bemerkenswert ist, sondern mir aus der Seele spricht. Es geht darin darum, was uns Musik nützt, wenn wir sie nicht als Beruf ausüben. Sie behauptet zwar nicht, dass eine erfolgreiche Zukunft allein von musikalischer Früherziehung abhängt, «aber schaden tut sie sicher nicht.»

Was man beim Musizieren lernt, nützt auch in anderen Berufen. Haben mir meine Flöten- und Geigenstunden geholfen, in der Öffentlichkeit besser aufzutreten? Haben Etüdendrill und Tonleitern auch meine Fähigkeit zum Schreiben und Denken trainiert? Kann ein musikalisch geschultes Ohr unsere Fähigkeit beeinflussen, genau hinzuhören, wenn andere reden? Frau Skinner und ich sind zutiefst überzeugt, dass es solche Zusammenhänge gibt.

Während meines Musikstudiums habe ich – meine Eltern natürlich auch – selbstverständlich erwartet, dass ich Musiker werde und bleibe. Und klar eine tolle Karriere im Auge habe und wenn es geht, international tätig sein werde. Am Konservatorium in Winterthur habe ich dann erst einmal gelernt, genau hinzuhören, zu merken, was der Komponist wollte, versuchen, es umzusetzen. Es wurde erwartet, dass ich eine Meinung habe, aber ich wurde längst nicht immer aufgefordert, sie auch kundzutun. Und ich war dazu meist auch zu schüchtern und zu unsicher.

Bei Nadia Boulanger in Paris, der Freundin von Igor Strawinski, habe ich dann erfahren, dass man sich äussern MUSS. Sie hat uns anhand vieler Bach-Kantaten gezeigt, dass es für ein und dieselbe musikalische Phrase eine ganze Anzahl gültiger Interpretationsansätze gibt. Ihre berühmte Frage am Anfang jeder Stunde war: «Welches ist die wichtigste Note im ersten Takt dieser Kantate?» Und es war klar, dass wir uns alle – wir waren an die zwanzig Studenten – äussern durften und mussten.

Oft waren wir wirklich unterschiedlicher Meinung, Begründungen waren gefragt, aber oft nicht ausreichend. Man lernte, Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden, auch dass es hilfreich ist, andere Meinungen zur Kenntnis zu nehmen. Etwas, das in aussermusikalischen Berufswelten ebenso wichtig ist. Meine Eltern haben mich zum Musikunterricht geschickt, damit ich etwas tat, was Disziplin und Durchhaltevermögen erforderte, zu üben und in die Stunde zu gehen – ohne Druck. Ich merkte bald, dass es befriedigend ist, bei einem komplexen und herausfordernden Vorhaben Fortschritte zu machen, und natürlich lernte ich, die Musik zu lieben.

Mit der Karriere hat es dann eben nicht so geklappt, wie ich es mir gewünscht hatte. Klar, nur wenige können von der Musik leben; sie leben eher vom Unterrichten. Dann wenden sich viele zwar nicht von der Musik ab, aber doch einem anderen Wissens- oder Tätigkeitsgebiet zu. Ich kenne Juristen, Mediziner, Wissenschafter, die mit Musik begonnen haben, um später einen anderen Beruf auszuüben.

Mit ging es ebenso, und Frau Skinner auch. Sie führt seit 1997 in Knoxville eine Beratungsfirma im Bereich Alters- und Gesundheitsvorsorge. Danke, Frau Skinner, für Ihre erhellenden Gedanken, die ich in der «Wandzeitung» gerne zitiert habe.


André Bernhard,
3.9.2017, 116. Jahrgang, Nr. 246.

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