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«Wandzeitung» vom 3.12.2017:

Zufall?

Serendipity.

Oft werde ich belächelt, wenn ich eine Bemerkung über den Zufall mache. Die meisten meiner Bekannten glauben, dass es Zufälle gibt, ich hingegen nicht. Dann werde ich als Fatalist gebrandmarkt. "Es kommt wie es kommt", das ist zwar nicht meine Maxime, aber die Serendipität, wie sie C.G. Jung versteht, liegt mir am nächsten.

Wer mehr über Serendipität wissen will, kann das im ROTEN BUCH von Jung nachlesen, das jetzt auch als Textbuch erhältlich ist, neben dem grossen, mit Bildern versehenen. Aber kurz gesagt geht es darum, dass man darunter den Effekt versteht, etwas gesucht und dann etwas völlig anders gefunden zu haben. In der Geschichte und in der Wissenschaft gibt es dazu viele Beispiele; ein allbekanntes ist die Entdeckung Amerikas: Christoph Kolumbus hatte vor, einen neuen, anderen Weg nach Indien zu finden und stiess dann "zufällig" auf Amerika. Nur nebenbei fällt mir "zufällig" ein, dass der erste Amerikaner, der Kolumbus begegnete, eine furchtbare Entdeckung machte (Christoph Lichtenberg in seinen Sudelbüchern...) Serendipity wirkt auch oft beim Surfen im Internet: wie oft findet man beim Surfen Dinge, die man eben gar nicht gesucht hat und freut sich sehr darüber. Auch Wissenschafter machen oft serendipische Entdeckungen. Die Röntgenstrahlen, der Sekundenkleber, das Post-it, der Klettverschluss oder, noch neuer: Viagra, das ja ursprünglich als Herzmedikament vorgesehen war und nun vielen Männer als Steighilfe dient. "Überzufällige" Ergebnisse von fleissigen Forschern führten zum Beispiel zur Entdeckung des Penicillins , zu LSD, zu Teflon und zum Silikon. In diesem Zusammenhang hört man dann oft den Satz "Der Zufall begünstigt nur einen vorbereiteten Geist", was ungefähr bedeutet, dass die Entdeckung kommt, wenn jemand viel daran gearbeitet hat, aber oft ungezwungen: sie fällt ihm dann zu, eben: per Zu-Fall. Nun gibt es für fast alles - auch für Serendipität - eine Formel, die in der Informationswissenschaft angewendet werden kann. Sie hilft vor allem dann, wenn trotz eines Überangebots von Daten zusätzliche Informationen zum Finden sind. Hier die Formel:

Serendipität ist gleich der Anzahl der brauchbaren Dokumente - wenn auch für eine anderes Suchargument - geteilt durch die Anzahl der für das Suchargument nicht relevanten Dokumente.

Der Serendipitätseffekt trifft auch beim Stöbern in einer gut sortierten Buchhandlung oder in einer Freihandbibliothek auf. Oft fällt einem dann ein Buch zu, an das man früher mal gedacht hat, oder die Idee zu einer intensiven Beschäftigung mit einem bestimmten Thema uns fast automatisch zum richtigen Regal und zum unbeachbischtig und unbewusst gesuchten Buch führt. Lange vor dem Aufkommen des Internets wurde dafür der Begriff "Browsing" geprägt. Wer darüber schmunzeln möchte, soll sich das Gedicht "Hilfsbuch" von Eugen Roth vornehmen.

Meine erste Begegnung mit Serendipity fand in New York statt. Zusammen mit einem Freund suchte ich nach einem anstrengenden Touristen-Tag nach einem Restaurant, in dem man ein Stück Fleisch und ein frisches Bier zu sich nehmen könnte. Wir traten ins "Serendipity" ein, wunderbar, indisch. Vegan und alkoholfrei ...


André Bernhard,
3.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 337.

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