Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 8.2.2017:

eine erfolgsstory:

alle lachten.

in meiner schulzeit waren die kleinen sjw-hefte eine große sache. das «schweizerische jugendschriften-werk» (sjw) war gegründet worden, um eine alternative anzubieten zu den angeblichen schundheften, und schuf im lauf der jahrzehnte viele hundert titel, alle im format 135x210 mm, zu einem günstigen preis. erwerben konnten wir sie bei unserem klassenlehrer. jeweils am samstagmorgen während der fertigmachstunde und vor der vorlesezeit fand das kaufgeschäft statt und erfreute sich großer beliebtheit. eine erfolgsstory.

eines dieser hefte hieß «alle lachten». es ging darin um entdeckungen und erfindungen, über welche die zeitgenossen zuerst gelacht hatten und die dann doch große bedeutung erlangten. auf jeder seite war in sechs federzeichnungen, angeordnet wie die scheiben eines stubenfensters und mit bildlegenden versehen, eine solche pioniertat dargestellt. die botschaft war: lacht nicht zu früh, wenn jemand etwas bisher undenkbares in die welt setzt.

in deutlicher erinnerung ist mir unter anderem die eine seite, auf der dargestellt ist, wie ein erfinder namens freiherr von drais ein fahrgestell mit zwei hintereinander stehenden rädern bauen ließ, auf dem er sitzen konnte und das er, mit den beinen auf dem boden abstoßend, in gang setzte. dass seine ersten versuche zu gelächter anlass gaben, braucht uns heute nicht zu verwundern. wer damals etwas auf sich hielt, reiste zu pferd oder im wagen, und wer das nicht vermochte, konnte ja zu fuß gehen. als drais aber demonstrierte, wie er sich mit der «laufmaschine» schneller fortbewegte als ein reiter zu pferd, fand er respekt für seine erfindung.

was mir damals als primarschüler vielleicht nicht bewusst wurde: das wesentliche an der neuheit – der große schritt für die menschheit – bestand darin, dass ein gefährt auch einspurig, im labilen gleichgewicht, funktioniert. die erfindung hat, in ihrer späteren weiterentwicklung, einen ungeahnten boom erlebt. man vergegenwärtige sich nur die unmenge an fahrrädern, die rund um den winterthurer hauptbahnhof eingestellt sind.

möglicherweise war es von bedeutung, dass drais sein neues fahrzeug gerade im jahr 1817 erfand, im berühmten jahr ohne sommer. der ausbruch des indonesischen vulkans tambora hatte weltweit eine abkühlung um bis zu zwei grad celsius zur folge gehabt. die ernten fielen aus, die menschen litten hunger, pferde gingen wegen futtermangels ein und fehlten vielerorts.

von seinem anfang als laufrad, das der wagner gezimmert hatte, bis zur heutigen gestalt der zweiräder brauchte es aber noch viel an verbesserungen. eine weiterentwicklung, lese ich, geschah mit dem antrieb durch pedale auf das vorderrad. das modell wurde auf der pariser weltausstellung 1867 vorgestellt. einige jahre später folgte die erfindung der luftreifen.

noch gar nicht so lange ist es her, dass das laufrad aus holz wieder hergestellt wird, nun aber für kleinkinder, die noch nicht velofahren können. auch all die verschiedenen trottinette, töffli und motorräder beruhen auf der anfänglichen erfahrung mit einspurigen gefährten. dem drais sei dank.

 

 


Alfred Vogel,
8.2.2017, 116. Jahrgang, Nr. 39.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.