Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 8.3.2017:

das liebe geld und die steuern:

eine fangfrage.

wie einige verlierer der abgelehnten steuervorlage nun ihre wunden lecken, das ist schon merk-würdig. sie kritisieren die kampagne und denken, die akteure hätten den ton für die bevölkerung zu wenig getroffen. sie scheinen nicht zu merken, dass es an der verfehlten vorlage lag. diese war – wie frau widmer-schlumpf zu recht gesagt hat – nach der debatte im rechtsgerutschten parlament nicht mehr im gleichgewicht.

ich beschäftige mich zur zeit mit einem musikstück von melchior franck, einer motette aus dem jahr 1623, deren text lautet: «wes ist das bild und die überschrift? sie sprachen: des kaisers. da sprach er zu ihnen: so gebt dem kaiser, was des kaisers ist, und gott, was gottes ist.» dieses wort hat in der vergangenheit viel unheil angerichtet. schon luther hat daraus eine pflicht abgeleitet, dem kaiser, also der obrigkeit, das verlangte zu überlassen. er hat sich in den damaligen bauernaufständen dezidiert auf die seite der fürsten gestellt und damit die brutale unterdrückung des armen volkes gutgeheißen. so hat dann auch in den unheilvollen zwölf jahren des braunen terrors 1933 bis 1945 dieser bibelvers viele christen veranlasst, die obrigkeit gehorsamst hinzunehmen.

eine solche deutung – für die staatsgeschäfte die regierung, die kirche fürs seelenheil – verkehrt die biblische aussage in ihr gegenteil, meine ich. es lohnt sich, das wort im ganzen zusammenhang zu sehen und dabei auch das nichtausgesprochene zu verstehen. worum geht es: jesus predigt, wie so oft, im tempel. den frommen religiösen oberen ist der zulauf des breiten volkes ein ärgernis, und so versuchen sie ihn hereinzulegen. sie schicken einen ihrer leute vor, der dem meister die frage stellt: ist es einem juden erlaubt, den römern steuern zu bezahlen? das ist eine fangfrage. wenn er nämlich sagt, dies widerspreche den jüdischen gesetzen, dann wird er von den machthabern als aufwiegler verhaftet und verurteilt. die römer pflegten mit solchen dissidenten kurzen prozess zu machen. wenn er aber sagt, die steuern seien zu entrichten, dann gilt er bei den juden als mitläufer der besatzung, als verräter, und ist bei seinen anhängern abgeschrieben. jesus sagt nun (matth. 22): kann mir jemand einen denar zeigen? seine zuhörer verstehen sogleich: er hat selber keinen auf sich. er nimmt nicht am geldwesen teil. als ihm die münze gebracht wird, fragt er: wer ist das da auf dem bild und was ist die inschrift auf der münze? seine zuhörer verstehen, was er nicht aussprechen muss, weil es alle wissen: für juden ist ein derartiges bildnis ein götzenbild. daraufhin folgt sein satz: lasst die hände vom geld, überlasst es dem kaiser. wer wie ich ohne besitz ist, der ist auch nicht steuerpflichtig. überlegt euch besser, was ihr gott schuldig seid.

so, und wie finde ich nun den dreh zur eingangs erwähnten abstimmungsvorlage? die geschichte hat mit ihr durchaus einen zusammenhang. bei der fangfrage geht es um gerechte steuern, aber die antwort weist weiter. was sollen wir suchen: ein geglücktes leben. was aber behindert dieses glück? raffgier, kaufrausch, steueroptimierung, kurz: der denar.


Alfred Vogel,
8.3.2017, 116. Jahrgang, Nr. 67.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.