Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 8.12.2017:

herbergssuche:

fremde und hiesige.

haben wir raum für josef und maria? die weihnachtsgeschichte schildert ein problem, wie es viele flüchtlinge und immigranten kennen, einst und jetzt. hier aber soll nicht von deren schicksal die rede sein, sondern von den problemen, die die sesshaften mit den einwanderern haben. problem – das wort bedeutet ausgedeutscht: eine uns vor die füße geworfene sache, die wir aufzuheben und zu lösen haben. in der asyldebatte, die derzeit die öffentlichkeit bewegt, ist weniger vom aufheben und lösen die rede als vom fernhalten und beiseiteschieben.

in früheren zeiten strömten vor allem glaubensflüchtlinge ins gebiet der heutigen schweiz. nach der mordnacht von paris im jahr 1672, als 3000 und in den tagen darnach in ganz frankreich weitere rund 10 000 hugenotten niedergemetzelt wurden, flüchteten viele überlebende nach genf. der torwächter zählte einmal an einem einzigen tag 800 neuankömmlinge. genf mit seinen 10 000 einwohnern gab zeitweise 2000 menschen zuflucht. es galt, unterkünfte und verköstigung zu bieten. die last muss groß gewesen sein. ein fünftel der einwohnerzahl, oder mit anderen worten: pro 5 einwohner traf es einen flüchtling.

im gebiet der heutigen schweiz (mit damals rund 1 mio einwohnern) verteilten sich im jahr 1680 an die 100 000 flüchtlinge. die betreuung eines flüchtlings lastete also auf rund zehn einwohnern. was aber heute in europa nicht möglich scheint, gab es 1680 in der eidgenossenschaft: einen vereinbarten verteilschlüssel. zürich übernahm 30%, basel 12%, schaffhausen 8% der emigranten. (diese zahlen finden wir im historischen lexikon der schweiz.)

lohnend ist ein vergleich mit den heutigen flüchtlingsproblemen. (in klammern ist im folgenden die quantitative belastung angegeben, wiederum in einem quotienten e:f, nämlich einwohnerzahl durch flüchtlingszahl. auf wie viele einwohner verteilt sich die last eines flüchtlings?) wir erinnern uns an den ungarnaufstand 1956, in dessen folge 7000 flüchtlinge in die schweiz kamen (quotient 1000); an die niederschlagung des prager frühlings (600); an den bosnienkrieg (230); an den krieg im kosovo (130). die akzeptanz in der bevölkerung war bei diesen gruppen recht unterschiedlich. die einen von ihnen waren vor einem russischen regime geflohen und fanden eher sympathie. die andern, die aus bürgerkriegsgebieten kamen, gehörten meist dem muslimischen glauben an und stießen eher auf ablehnung. für die weitgehend prosperierende schweiz, sollten wir denken, wären die asylantenströme kein problem.

der kanton zürich beispielsweise mit seinen 1,5 millionen einwohnern hatte 2016 rund 13 000 personen aufzunehmen und unterzubringen (quotient 115). dem bezirk andelfingen mit seinen 31 000 einwohnern fallen weniger als 200 personen zu.

ein vergleich mit der zeit der religionskriege, in jenen wirtschaftlich weit schwierigeren verhältnissen, macht es deutlich: dem heiligen paar raum zu überlassen, ist uns zuzumuten. alarmismus in dieser frage ist unberechtigt.


Alfred Vogel,
8.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 342.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.