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«Wandzeitung» vom 9.2.2017:

EIN SATZ:

Partizipation präsens.

Papierkörbin. Aus einem ironischen Antrag der LINKEN in Flensburg auf geschlechtsneutrale Bezeichnungen für Arbeitsmittel.

Seit Wochen hören und lesen wir es wieder, jedenfalls jene unter uns, die im Halseisen unselbständiger Erwerbstätigkeit liegen: «Liebe Mitarbeitende». Ende Jahr an Weihnachtsfeiern und am Anfang als Beilage zum Lohnausweis zwecks Hinführung zum Schafott der Steuervogtenden. Kein Arbeitgebender wird müde, das Personal mit «lieb» anzusprechen, sei er nun Ausbeutender oder nicht. Am Ehesten scheuen sich noch die Empathischen, denen die Inflation von lieben Grüssen, ganz lieben Grüssen und deren Kürzel LG bzw. GLG im kleinen Internetz, das wir alle gut kennen, auf den Weckenden geht.

Wir leben in kalten Zeiten, in denen wenigstens ein paar Euphemismen virtuelle Wärme versprühen sollen. Dabei wäre das Ende der Eiszeit fällig. Begriffliche Aufrichtigkeit würde dazu beitragen. Politisch korrekte Sprache wäre besser korrekte Sprache auf der Basis korrekten Denkens. Nicht Schwerter zu Pflugscharen, sondern Scheren in Kopf und Fingern ins Kleinmetall! Wenn es zu ungehobelt herauskommt, ist das dem nichtssagenden Geschwurbel allemal vorzuziehen. Wir wollen an dieser Stelle nicht vertiefen, ob auch der Ehrlose in der Ehre verletzt werden kann.

Die Mitarbeitenden waren schon zu Zeiten der Mitarbeiter bzw. Mitarbeiter/innen ein Euphemismus. Damals noch mit «sehr geehrt» angesprochen, was zwar auch schönfärberisch ist, aber immer noch um Klassen ehrlicher als «lieb». Ausser von Arbeitgebenden, die nach aktuell gültiger Compliance am Arbeitsplatz unangemessene Nähe ausüben. Was schnell zu Entlassung oder gar Unfreiheit des sich Nähernden führt. Zurück zu LG und GLG: Respekt kann man von uns – mit Ausnahme jenes gegenüber Ehrlosen – verlangen, während der allgegenwärtige Zwang zu lieb grotesk anmutet. Selbst die Bibel geht nur so weit, dass man Feinde und Nächste lieben soll und nicht muss. Mitarbeit suggeriert Gleichrangigkeit und nicht Subordination unter die Arbeitgebenden, die folgerichtig nicht als Mitmenschen zu qualifizieren sind. Allerdings, obschon sie in der Hierarchie oben stehen, auch nicht als Übermenschen. Lassen wir also das «lieb» und das «Mit». Womit der Arbeitende bleibt. Die Partizipialkonstruktion, die uns daran hindern soll, auf den Minenfeldern der Diskriminierung den fatalen falschen Schritt zu tun, ist ebenso scheusslich wie ungeeignet. Denn sie ist trotz der bewaffneten Geschlechtsneutralität unseres Landes alles andere als geschlechtsneutral. Und tönt eher wie Pause oder Pensionierung.

Die Arbeitsperson als Alternative ist aus Sicht feministischer Linguistik vom grammatikalischen Geschlecht her gegenüber Männern diskriminierend. Zudem wäre eine grössere Partei als jene der Arbeitspersonen etwas schwülstig betitelt. Wenn sie sich auch von der Partei der Arbeit mit einigen Buchstaben mehr als aktuell unterschiede. Liebe Lesende – im Oktober wäre diese Anrede angesichts des Wümmets zweideutig, nicht hingegen im Februar – es gibt keine Lösung. Ausser die, dass wir alle blau machen, liebe Blaue, und das Feld der Arbeit und der Partizipien meiden.


Adrian Ramsauer,
9.2.2017, 116. Jahrgang, Nr. 40.

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