Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 9.3.2017:

EIN SATZ:

List und Lücke.

Lust an List macht Last. WALTRAUD PUZICHA.

Wenn Sie den Titel lesen, geht es Ihnen wahrscheinlich wie mir: Der Wort-Zwilling kommt Ihnen bekannt vor, doch etwas stimmt nicht. Meist wird ja die Tücke in einem Atemzug mit der List genannt. Was soll die Lücke ausser dem Zwang zur Originalität?

Unlängst habe ich von Sicherheit in rechtsfreien Räumen geschrieben, bei denen es sich ja ebenfalls um eine Lücke handelt. Dass auch in rechtlich durchwirkten Gefilden die Sicherheit nicht garantiert ist, zeigen mit beklemmender Aktualität die Krawalle von Bern. Denn sie spielen sich nicht in einem rechtsfreien Raum ab, sondern haben ihn bloss zum Ziel, selbstverständlich ohne es auch nur ansatzweise zu erreichen.

Ich habe einmal mit dem deutschen Kabarettisten GEORG SCHRAMM vom Stimm- und Wahlpöbel geschrieben. Selbstredend gibt es auch den Nichtstimm- und -wahlpöbel, wobei wir vorurteilshaft unterstellen, dass die Krawallierenden nicht die Waffe der demokratischen Mitwirkung einsetzen, dafür jene der Keilerei mit der Polizei. Damit machen sie nach dem Prinzip von actio und reactio nur die Lücken in den rechtlich durchwirkten Räumen enger. Sprich in jenem Normalraum, in dem wir uns aufhalten, es sei denn, es sei uns gelungen, irgendeine Immunität zu erlangen, z. B. indem wir too big to fail sind.

Als Schreiber wird einem das nie zuteil, und ich wage mit Verlaub die Prognose, dass sich auch unter Ihnen, liebe Leser, keiner befindet. Ihnen, die sich in der frühlingshaften Luft die Beine am Obertor in den Bauch stehen, um die aushängende Kolumne zu beäugen. Ein Tor, wer sich too big to fail auf diese Gasse stellt.

Uns Kleinen bleibt nur die List. Für die Tücke plädiere ich nicht, jedoch dafür, listig eine Lücke zu finden. Das ist heutzutage gar nicht so einfach, wo der Mut zu ihr allenthalben auf der Strecke geblieben ist und Vollständigkeit bis zur erbrechenden Langeweile jedes Regelwerk durchdringt. Ein Wunder, dass noch Schlafmittel verkauft werden, wo doch die Lektüre jedes Gesetzes und spätestens der dieses ausführenden Verordnung jede Schlaf- und Durchschlafstörung nachhaltig beseitigt. Wer dann noch das Urteil liest, das Rechtsunterworfene in ebenso bester wie falscher Hoffnung erwirkt haben, der ist endgültig narkoleptisch.

Eine Kolumne soll sich nicht nur in gewundenen Betrachtungen zur Stadtlage gefallen, sondern auch von praktischem Nutzen sein. So zeige ich hier exklusiv eine einfach zu findende Lücke: Wer mit dem Velo den Busbahnhof Richtung Süden queren will, findet vor dem Coop City eine. Das Fahrverbot auf der rechten Strassenseite fehlt. Ungestraft darf Richtung Töss geradelt werden.

Denn das Signal auf der linken Seite gilt nicht. Erstens aus politischen Gründen und zweitens, weil das Bundesgericht es sagt. Und dies erst noch in einem erstaunlich unterhaltsamen, sprich kurzen Urteil. Mit höchstrichterlicher Ermächtigung ist das schon fast keine List mehr.

Beeilen Sie sich aber, Lücken werden rasch geschlossen.


Adrian Ramsauer,
9.3.2017, 116. Jahrgang, Nr. 68.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.