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«Wandzeitung» vom 9.5.2017:

EINSATZ:

'SEICHAMT.

Waagrecht 42 – Pedant von Amtes wegen: Eichmeister. TRUDY MÜLLER BOSSHARD im MAGAZIN.

Aus meiner düsteren Vergangenheit als Parlamentarier habe ich die Tradition in mein aktuelles Dasein herübergerettet, ödes, redundantes Geschwurbel – damals vor allem in sogenannten Voten zu lokalisieren – mit dem Lösen von Kreuzworträtseln zu überbrücken. D. h. ich löse praktisch ununterbrochen. Meisterrätsler wie CUS von der Süddeutschen Zeitung, ECKSTEIN von der ZEIT oder die zitierte TMB, wie sie von der Magazincommunity liebevoll verkürzt genannt wird, vermögen meiner Nachfrage nicht nachzukommen.

Nicht nur zur Verdrängung sind Rätsel ungemein geeignet. Manchmal liefern sie auch Steilpässe für Kolumnen. Der Einsatz des Wühlens im Altpapierberg der Nachbarn – fürs Abonnieren des Magazins bin ich zu geizig – hat sich diesmal doppelt gelohnt.

Natürlich ist im Verlauf der geschichtlichen Entwicklung der Anteil öden, redundanten Geschwurbels an der Gesamtmenge der verbalen – seit Erfindung der Schrift auch schriftlichen – Absonderungen konstant. Nur die Gesamtmenge war aus technischen Gründen kleiner. Bei der verbalen Kontamination konnte man allenfalls seinen Nachbarn schwurbeln hören, aber weder Lautsprecher noch soziale Medien trugen das Gedröse von Hinz und Kunz ins traute Heim. Und bei der Verschriftlichung war zu Zeiten, als jedes Zeichen in Stein gemeisselt werden musste, eine gewisse Zurückhaltung in der Verbreitung unnötigen Contents an der Tagesordnung.

So hätte man damals den guten alten Eichmeister nur schon wegen der Mühe des Ummeisselns des Torbogens an der Amtsstube in seiner Funktion belassen und nicht das Eichamt draus gemacht. So hätte man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen und auch die Verballhornung verhindert.

Nicht nur das Eichamt, sondern jedes Amt eignet sich dafür, ein Seichamt zu sein oder zu werden. Entweder weil dessen Ausübung mit Unbill verbunden ist, z. B. als Intendant des öffentlich-rechtlichen Kanalfernsehens.

Oder weil der aktuelle Inhaber eines sonst nicht mit Fäkalem in Verbindung zu bringenden Amtes so unter Beschuss geraten ist, dass er nicht anders kann, als sein Amt als Seich zu empfinden. Vor allem aber empfinden die Beschiessenden es als Seich, dass der Amtsinhaber es noch innehat. Je nach Widerstandskraft und Sturheit gibt man so ein Amt auf. Oder klammert sich so lange dran, bis einem die demokratische Legitimation bei der nächsten Wahl entzogen wird und man dann nicht nur von Amtes wegen, sondern auch existenziell im Seich hockt. Ständiges Rätsellösen hilft da übrigens nicht wirklich.

Es ist jedoch tröstlich, dass Verbleiben im Amt und Zurücktreten die gleiche Resistenz gegen eine Feuchtigkeit erfordert.


Adrian Ramsauer,
9.5.2017, 116. Jahrgang, Nr. 129.

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