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«Wandzeitung» vom 25.6.2017:

EINSATZ:

Leise rieselt der Schnee.

Freue dich, Christkind kommt bald. WEIHNACHTSLIED, TEXT VON EDUARD EBEL.

Der hat doch einen Sonnenstich, höre ich Sie sagen, wenn Sie sich am Obertor drängeln, die heutige Kolumne lesen und dabei die vielen wegellbögeln, die früher gekommen sind. Gut, ich bin heute durch die Wüstenhölle Mostindiens geradelt und habe meine verdorrte Zunge anschliessend mit jenem Stadtwein benetzt, bei dem sich Önologen streiten, ob er aus Neftenbach oder Wiesendangen stammt: dem Gewürztraminer. Bei der ersten Hälfte der Flasche, bei welcher die Süsse etwas weniger kräftig zum Ausdruck kam, neigte ich dazu, die Traube dem Stadtgut Neftenbach zuzordnen, bei der zweiten, welche süsser schmeckte, dem Rebgut Wiesendangen. Und kommen Sie mir nicht mit dem Elsass. Die Traube gedeiht hierzustadte ebensogut.

Keine Ahnung, weshalb ich die intensivere Süsse mit Wiesendangen verbinde und die dezentere mit Neftenbach. Eigentlich gefällt mir die Stadttrotte mit dem darüber gelegenen Rebhang, von dem man einen atemberaubenden Blick auf den Alpstein hat, viel besser. Und da ich Süssem – in welcher Darreichungsform auch immer – nicht abgeneigt bin, müsste ich genau umgekehrt funktionieren. Zumal ich ab und zu mit noch viel verdorrterer Zunge den Aufstieg zur Hub in Angriff nehme. Nicht zuletzt, um mich über den neuesten Territorialgewinn Winterthurs zu freuen, die Obere Hub. Wenn auch nur der Bezirk um ein paar Aren grösser geworden ist, so ist in den dürftigen Zeiten des Griechenlands der Schweiz der Zugewinn eines ganzen Weilers ein Grund zum Frohlocken. Die Kyburg haben wir an den Bezirk Pfäffikon verloren, die Hub jedoch von der Herrschaft Andelfingen dazugewonnen. Ein weiterer Grund, weshalb die Süsse nach Neftenbach gehören würde. Aber je älter ich werde, desto mehr finde ich mich damit ab, dass ich mich nicht durchschaue.

Doch Ihre Schelte gilt ja nicht dem Umstand, dass ich den süsseren Wein Wiesendangen zuordne, sondern jenem, um den längsten, heissen Tag des Jahres herum von Weihnachten zu faseln. Und dies schamlos öffentlich bei den ehemaligen Toren der Stadt (ähm, damit sind Bauten gemeint). Weit gefehlt, sind wir doch auf dem halben Weg zwischen zwei Weihnachten. Wenn wir zwinglianisch denken, und wer tut das nicht, sind wir von der nächsten Weihnacht am 24. Dezember 2017 weniger weit weg als von der letzten. Grund genug also, in der Sommerflaute eine Pause einzuschalten und der eisigen Winterkälte zu gedenken, wenn auch der Klimawandel (Ansicht 1) oder sonst etwas (Ansicht 2) Weihnachten eine solche schon länger nicht mehr gewährt hat. Dem Sommer fehlt es trotz Dauer-Sales am kommerziellen Pepp. Ein paar Minions und Mania-Bauklötzchen vermögen die schlafenden Konsumenten nicht wirklich hinter den Klimageräten und Ventilatoren hervorzulocken.

Zur Erhaltung des Bruttosozialprodukts, sprich unseres Lebensstandards, unserer Renten, kurz, all unserer Illusionen, bedarf es also dringend einer Offensive von Schokonikoläusen, Marzipankugeln und Weihnachtsguetsli. Ein paar Tropfen Gewürztraminer, komme er nun aus Neftenbach oder Wiesendangen, reicht nicht.


Adrian Ramsauer,
25.6.2017, 116. Jahrgang, Nr. 176.

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