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«Wandzeitung» vom 25.9.2017:

EINSATZ:

Marx und das Dampfschiff.

Eigentlich bin ich ein Marxist. CHRISTIAN VON BURG, früherer Stadtwerk-Direktor, im Landboten.

Nein ich will nicht darauf hinaus, dass dies die Erklärung dafür sei, weshalb bei Stadtwerk so vieles schief gelaufen ist. Das ist nicht dem Marxismus in die Schuhe zu schieben.

Was soll aber das Thema, wo der reale Sozialismus doch nur noch in Randgebieten herumgeistert? Marx hat allen Vorurteilen und Fakenenews zum Trotz in erster Linie eine Gesellschaftsanalyse entwickelt, die sich immer noch als wahr erweist. Von Burg bringt es im Landboten auf den Punkt: «Weil Marx einfach die besten gesellschaftlichen Erklärungsmodelle hat.» Christoph Henning nimmt in der NZZ den Faden wenig später auf und kommt zum gleichen Schluss. Marx beschreibt demnach drei Konflikttypen. Der erste besteht aus Konflikten durch Ungleichheit aufgrund der Machtkonzentration beim Kapital. Der zweite aus Konflikten des Kapitals mit der Arbeit und der Natur, die beide zur Mehrung des ersteren ausgebeutet werden müssen. Die NZZ schreibt von einer «sozialen Kriegserklärung». Und der dritte ist der Konkurrenzkonflikt, indem jeder den andern in Grund und Boden konkurrenziert und der Markt nicht den Ausgleich zum Nutzen aller vornehmen kann. Hier setzt der Sozialismus ein, der Koordination anstelle von Profitmaximierung will.

Es «schwirrt das Kapital auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten verzweifelt umher, versucht, Löhne zu senken, Standards zu unterlaufen ...» (NZZ, nicht WoZ). Wir wissen, dass eine wirtschaftliche Planung mit Freiheitsrechten nach westlichem Standard, die auch die wirtschaftliche, die Niederlassungsfreiheit und das Eigentum umfassen, nicht vereinbar ist.

Was also tun, wenn nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, sprich die Standards zu einem undurchdringlichen Netz, in dem wir uns alle verfangen, zu verdichten? Keine Ahnung, antwortet die etablierte Politik. Die Sozialdemokraten schwafeln zwar (immer noch) von Überwindung des Kapitalismus und die Bürgerlichen malen das Schreckgespenst der DDR. Doch was tun wir, die wir den Doktrinen trotz möglicher Parteizugehörigkeit mit Skepsis gegenüberstehen? Wir finden den gut eidgenössischen Kompromiss. Der löst zwar nicht das Problem der Ausbeutung der dritten Welt. Aber er ist ein Schritt in die richtige Richtung: Wir lösen Grundver- und entsorgung, den viel zitierten Service Public, aus dem Marktkontext, organisieren ihn effektiv und ökologisch entweder staatlich oder in neudeutscher Privat-Public-Partnership und verweisen den Gewinnanspruch an Post, Bahn, Telekommunikation etc. genauso ins Reich der Geschichte wie den realen Sozialismus. Ein Teil der Marktwirtschaft ist ohne Schaden für das Gesamtsystem ausgeklinkt, und eine zentrale Sparte im guten Marxschen Sinne koordiniert.

Am Schluss zum Dampfschiff: Von Burg hat selbst eines gebaut, wenn auch für sich privat und nicht für den Service Public. Für alle, welche meinen Kompromiss für blossen Schall und Rauch halten: Eine Dampfmaschine kann sauberer und rauchärmer betrieben werden als ein Dieselmotor, selbst als ein nicht manipulierter. Auch dies allen Vorurteilen und Fakenews zum Trotz. Allerdings nicht leiser. So sind Kompromisse.


Adrian Ramsauer,
25.9.2017, 116. Jahrgang, Nr. 268.

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