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«Wandzeitung» vom 9.10.2017:

EINSATZ:

Schiffe versenken.

Hinkende Vergleiche sind immer noch besser als die ohne Hand und Fuss. GERD HEISE.

Weil es bei der letzten Kolumne mit Marx und dem Dampfschiff so schön war, bleiben wir bei den Schiffen. Auf dem Zürichsee hatte die «Panta Rhei» ihrem grossen Namen zum Trotz einen unglücklichen Start. Und auch bei der neuen Zürichseefähre schwamm der Klabautermann in der Fahrrinne. Das ist alles nichts im Vergleich mit dem Bodensee. Die «Rheinfall» befuhr diesen nie, sank jedoch vor Berlingen infolge einer Kesselexplosion, der mehrere Personen und Rinder zum Opfer fielen. Ich bin mir bewusst, dass der Vergleich von Menschen- und Tieropfern aktuell heikel ist. Im künftigen Grundsatzpapier der Grünen, das gemäss deren Fraktionschef im Nationalrat «klar wie Klossbrühe», also klarer als Seewasser, wird, ist er nicht mehr geduldet, so dass ich die Gelegenheit noch nutzen muss, die Aufschrift auf der Gedenktafel an der Schiffsanlegestelle ungestraft zu zitieren.

Was heute komplexe Schadenersatzprozesse zur Folge hat, wurde früher, als die Schiffe fast häufiger sanken als fuhren, entspannter gehandhabt. Die «Rheinfall» wurde gehoben und instandgesetzt. Da der Name doch zu sehr an das gleichlautende Reinfall erinnerte, taufte man sie auf den Namen «Neptun». Das nützte aber nichts, denn kurz danach sank auch diese. Man hob sie erneut und verschrottete sie zwei Jahrzehnte später.

Auch der Name «Ludwig», nach dem Lieblingskönig der Bayern, brachte einem Schiff kein Glück. So wie auch dem König selbst, der unter mysteriösen Umständen sein Leben lassen musste. Die «Ludwig» blieb beim Stapellauf am Bodensee mit dem Heck hängen und geriet anlässlich einer Lustfahrt mit gegen 500 Personen, welche zum Teil auf einem Schleppkahn Platz nehmen mussten, in einen Orkan, den es auch ohne Klimawandel schon gab. Schiff und Schleppkahn prallten aufeinander. In einer nebligen Nacht stiess sie dann mit der «Stadt Zürich» zusammen. 13 Menschen und 11 Stück Vieh – zum allerletzten Mal, Ehrenwort! – kamen um. Ein Besatzungsmitglied entging nur deshalb dem Drama, weil es wegen eines Kneipenbesuchs das Ablegen verpasste. Heute mit der Nullkommanull-Promille-Regel würde es nicht überleben. Ob diese Eingang ins Grünen-Papier finden wird, ist allerdings unsicher. Auch Ortsnamen eignen sich nicht unbedingt. Die «Ludwig» hiess ab da «Rorschach» – welch Abstieg! – um kurz darauf wieder zu sinken. Und die «Stadt Zürich» wurde schlicht das Teufelsschiff genannt. Sie versenkte mehr deutsche Schiffe als die gesamte dänische Kriegsflotte. Auch das Recycling, wenn man es denn so nennen kann, gestaltete sich entspannter als heute. Wenn ein Schiff ausgedient hatte, wurde es ausgeschlachtet und sein Rumpf im See versenkt. So befindet sich der grösste Schiffsfriedhof Europas auf dem Grund des Bodensees.

Dass Vergleiche ebenfalls entspannter betrachtet wurden, liegt daran, dass es eine prägende und vor allem diskursbestimmende Erfahrung zum Vergleich noch nicht gab. Und schönfärberische Werbesprache, Wattedeutsch und das stete Bemühen um politische Korrektheit schlummerten noch friedlich hinter dem Mond, wo sie die Respektvollen hätten schlummern lassen können.


Adrian Ramsauer,
9.10.2017, 116. Jahrgang, Nr. 282.

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