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«Wandzeitung» vom 9.11.2017:

EIN SATZ:

Hallo Wien.

Der Untergang des Abendlandes, Buch von OSWALD SPENGLER.

Ich liebe Kreuzworträtsel. Und ich verspreche, an dieser Wand einmal eins zu platzieren, grosses Kolumnistenehrenwort! So es mir gelingt, den Satzcomputer zu überlisten und zu einer Kästchengraphik zu zwingen ... Denn Kreuzworträtsel sind lehrreich, zumindest in der Waag- und der Senkrechten. So habe ich letzthin vom Grossen Rätselmeister CUS, der in der Süddeutschen brilliert, das Lösungswort ABEND auf die Frage enträselt: «Untergang des Landes (Armageddöns der Gestrigenfraktion)»

Was lehrt uns das? Dass das Abendland trotz beständigen Unkenrufen seit 1918 über 1933, 1968 und 1989 bis heute nicht untergegangen ist. Denn sonst würde an dieser Wand Morgenländisches prangen oder nichts mehr. Oder die Wand wäre weg. Es lehrt uns nicht zwingend, dass das Abendland nicht untergehen wird. Denn niemand weiss, ob es einen Gott gibt und ob Jesus oder Mohammed sein Prophet ist. Und es lehrt uns schon gar nicht, welche Entwicklung das Abendland nehmen wird. Die Erkenntnis hält ganze Müllhalden von Publikationen nicht von Untergangsprophezeiungen ab.

So ist der Abend nicht nur vom Morgen bedroht oder – weniger drakonisch – beeinflusst, sondern auch von der andern Seite des Abends, der Nacht. Wenn wir den Sonnenlauf betrachten, der dem Bild zugrundeliegt, dann liegt die Nacht noch weiter westlich als der Abend. Dort, wo Trump twittert.

Die Nacht gilt wie der Morgen im veröffentlichten Mainstream nicht als Beeinflussung, sondern als Bedrohung. Zweifelsohne geht das Abendland unter, wenn er sich dazu hinreissen lässt, den Atomknopf zu drücken. Das Morgen-, Mittag- und vor allem sein Nachtland mit ihm. Was die Zerstörung seiner wundervollen Theaterbühne bedeutet. Wagen wir deshalb auch eine Prophezeiung, Asche auf mein Haupt: Das bringen regelmässig auch Supernarzissen nicht fertig. Auch dann nicht, wenn ihre Bühne, ihr Publikum wegfällt und sie elendiglich verdorren. Wenn die in der Nacht in Nachtland abgesonderten feuchten Tweets ohne Reaktion bleiben. Wenn kein selbsternanntes Qualitätsmedium das andere in Entrüstung und Orang-Utanschem Auf-die-Brust-Klopfen ob des getweeteten Schwachsinns überbietet. Und auch dann ist es bloss aus mit der Vorstellung. Und der Vorhang fällt nicht im Weltenbrand, sondern in Form eines Drucks auf einen Abzug einer Waffe, die auf den Narzissen selbst gerichtet ist.

Und: Nicht nur das Grosse Getwitter beeinflusst plötzlich das Abendland. Schon seit Jahrzehnten schwappt aus Nachtland eine Fülle von Nichtabendländischem zu uns herüber, von Burgern über Halloween und Hollywood bis zur Political Correctness. Natürlich beeinflusst uns das. Aber das Abendland lebt weiter. Es hat die Goten, die Hunnen und die Weltkriege überlebt. Es hat den Sozialismus und den Frühkapitalismus überstanden. In Wien auch zwei osmanische Belagerungen.

Seien wir also kulturoptimistisch und lassen das Klagelied auf den Untergang aller Zeiten verstummen. Bewundern wir stattdessen Abendländisches. Lesen wir Kolumnen oder lösen wir Kreuzworträtsel.


Adrian Ramsauer,
9.11.2017, 116. Jahrgang, Nr. 313.

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