Logo Wandzeitung
Herausgeber: Guido Blumer & Roger Rutz.
Archiv:   Blog:   Echo:   Home:   Kontakt:   Leitbild:   Partner:   Sponsoren:   Twitter

«Wandzeitung» vom 25.11.2017:

EINSATZ:

Farbenlehre.

Ich koaliere, also bin ich. Déscartes in Deutschland.

Was assoziieren wir gemeinhin mit Jamaika? Karibische Lebensfreude, Rastafari und Armbänder vermutlich. Wir wollen uns mit den letzteren befassen. Was gemeinhin als Jamaikabändli von Amazon über Manor bis Zalando verkitscht wird, ist nämlich keines. So wurde ein Rastafari wegen einer Zeugenaussage verurteilt, der Täter habe ein Jamaikaband getragen, was heissen will ein Armband in grüner, gelber und schwarzer Farbe. Solche Farben tragen Rastas aber nie, sie sind religiös und nicht patriotisch. Auch der, von dem ich erzähle, hatte selbstredend ein Rastaband in grün, gelb und rot angehabt. Doch die Richter liessen sich von den falschen Farben beirren.

Seit Newtons und Goethes Farbenlehre werden also nicht nur in der Politik die Farben bunt gemischt und entsprechend verwechselt. Zum Beispiel bei den Regenbogenflaggen. So unterscheidet sich der Pace-Bogen vom schwullesbischen durch einen zusätzlichen hellblauen Streifen und die umgekehrte Anordnung der Farben. So manch Friedliebende hissen die falsche Fahne und werden zum Opfer von Avancen, die sie nicht einordnen können. Besonders krass wird es, wo Friedliebende ob der Farben- und damit Orientierungsverwechslung handgreiflich und damit ihrer vorgeblichen Gesinnung alles andere als gerecht werden.

Kein Wunder also, dass die Chancen einer Jamaikakoalition bei unserem nördlichen Nachbarn von vornherein schlecht standen. Schon der Übergang von einer Zwei- zu einer Dreifarbenregierung überforderte die Beteiligten – intellektuell ohnehin, das liegt in der Natur der Politik – aber auch emotional.

Und Kohls Mädchen scheint das erste Mal nicht zu bekommen, was es will. Mit Betonung auf scheint. Der Schein trügt nämlich in zweierlei Hinsicht. Erstens hat Angela Merkel auch schon nicht bekommen, was sie wollte, es aber jeweils so drehen können, dass es zu ihrem Machtkalkül gehöre. So war es beim Flüchtlingsthema nämlich nicht Merkels Absicht, die Flüchtlinge Willkommen zu heissen, sondern ihre Flucht aus einer Fehleinschätzung, die sie bis zum Beinahekollaps zu kaschieren suchte. Mit der Folge von Grenzzäunen und Abwehrmassnahmen im Süden.

Und dem Kollateralschaden, dass die Gutmenschen, welche die Lufthoheit über dem öffentlichen Diskurs beanspruchten und damit der AfD zur Gründung verhalfen, sie für eine der ihren hielten. Und zweitens wird sie diesmal bekommen, was sie will. Will sagen, sie wird nach Jamaika auswandern. Ob ihre streng protestantische Frisur später von Rastalocken durchwirkt sein wird, ist offen.

Alle Kanzler haben ihre Karriere mit einem Irrtum beendet. Die langlebige Kanzlerin wird da keine Ausnahme machen. Sie stehen alle in bester Goethescher Tradition. Er hielt seine Farbenlehre für das beste, was er kreiert hatte, besser als alle seine Dramen. Nicht auf Dichtung und Wahrheit berief er sich also, sondern auf Dichtung und Dichtung. Bei Kohls Mädchen ist die Benennung noch offen.

 


Adrian Ramsauer,
25.11.2017, 116. Jahrgang, Nr. 329.

Artikel als PDF downloaden

Zu diesem Artikel wurde noch kein Standpunkt abgegeben.

 

Veröffentlichen Sie als erste Person Ihren

Standpunkt*:

Name:

*Wir freuen uns sehr über Ihre Gedanken zum Text des Tages, bitten Sie jedoch, keine Personen zu verunglimpfen und deren Haltung mit Respekt zu begegnen. Danke schön. Verstösse gegen unser Leitbild werden indes nicht verbreitet.

 

Winterthurs kleinste Zeitung der Schweiz.