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«Wandzeitung» vom 27.12.2017:

Ghettoisierungstendenzen in Winterthurer Aussenquartieren?

Auf der Achterbahn.

Mal läuft‘s besser, mal weniger gut. So ist es ganz allgemein im Leben. Und im Speziellen als Fan des FC Winterthur. Wobei es da aktuell etwas sehr einseitig weniger gut läuft. Gehörige Ausschläge, ja veritable Achterbahnfahrten, gibt’s auch in der Politik. Und in der Berichterstattungen darüber. Bei gewissen Themen sind die Ausschläge besonders massiv. Etwa bei Themen, die sich im Dunstkreis von Terrorismus, IS, Jihad bewegen. Die breite Berichterstattung ist garantiert – in zwar ihrer gesamten extremen Bandbreite.

Seit vor drei Jahren ein Teenager-Geschwisterpaar aus Töss in den Jihad gereist ist, gibt es kaum ein Thema, mit dem Winterthur schweizweit mehr medial stattfand. Die Landbote-Dossier-Bezeichnung „Von Winterthur aus in den Jihad“ gehört dabei zum Unaufgeregteren. Ende 2015 schaffte es ein Winterthurer Strassenschild (mit Übersetzung ins arabische, nehme ich an) auf das Weltwoche-Cover (Titel: „Islamismus in der Schweiz“). Und an den darauffolgenden Ostern legte uns die NZZ ein Ei: In einem grossen Bericht über die Steig und „Ghettoisierungstendenzen in Winterthurer Aussenquartieren“ wurde die Frage aufgeworfen, ob auch die Schweiz Problemquartiere wie der Brüsseler Stadtteil Molenbeek habe. Das wurde wiederum durch andere Medien zugespitzt, wonach Winterthur das Molenbeek der Schweiz sei. Oder die Steig das Molenbeek Winterthurs. Oder so ähnlich. Wer weiss das schon so genau. Spielt auch keine Rolle. Wesentlich für die Nachwelt war, dass jede weitere Berichterstattung zum Thema an solchen Verkürzungen anknüpfte. Das Griechenland der Schweiz lässt grüssen.

So erstaunte es wenig, dass die Schaffung der Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention in Winterthur auf ein breites Echo stiess. Die Medienkonferenz zum 100tägigen Bestehen platzte mit über zwei Dutzend Medienschaffenden aus allen Nähten, ein Jahr später waren es immer noch über ein Dutzend. In diesem Jahr war auch eine erfreuliche Versachlichung des Themas und eine Normalisierung im Dialog zwischen Medien und den zuständigen städtischen Stellen festzustellen. Und wenn Sachverständige, etwa André Duvillard vom Sicherheitsverbund Schweiz oder der Präsident der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorenkonferenz, Hans-Jürg Käser, in Interviews auf die Bedeutung der Prävention in der Terrorbekämpfung verwiesen, wurde die Stadt Winterthur als exemplarisches Beispiel erwähnt.

Und als Anfang Monat Bundesrätin Simonetta Sommaruga mit Vertretern aller staatlichen Ebenen den Aktionsplan zur Radikalisierungsprävention vorstellten, berichtete die Tagesschau umfassend über die Winterthurer Fachstelle und kommentierte: "Mit dem Aktionsplan des Bundes gegen Radikalisierungen, auch in Moscheen, sollen die Winterthurer Standards nun in der ganzen Schweiz eingeführt werden".

Das war zugegebenermassen auch etwas verkürzt. Bereitete aber trotzdem Freude. Und machte uns auch etwas stolz. Neben solider fachlicher, inhaltlicher und kommunikativer Arbeit gehört auch eine Portion Glück dazu. Und die Erfahrung, dass auf den höchsten Punkt der Achterbahn nicht selten die atemberaubendste Abwärtsfahrt folgen könnte.


Nicolas Galladé,
27.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 361.

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