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«Wandzeitung» vom 4.10.2017:

Bald mit dem Rollator unterwegs:

Ein Lob dem Mischverkehr!

Neulich im Quartier: Der Lastwagen fährt aufs Trottoir, hä ja, sonst können die Autos auf der Quartierstrasse nicht mehr so gut kreuzen. Er lässt die Rampe runter, holt zwei Kästen Bier aus dem Laderaum und verschwindet für eine gute halbe Stunde. Es ist ja gegen 9 Uhr, Zeit für den Znüni. Die bekannte Znünikneipe, wo wohl auch das Bier hin muss, liegt grad gegenüber. An ein Durchkommen auf dem Resttrottoir, zwischen Laster und Gartenzaun, ist nicht zu denken. Wir müssen aussenrum, via Strassenraum, auch mit Kinderwagen oder Rollator. So jedenfalls mache ich es, schlendere langsam längst der Blechkiste entlang und in der Mitte der Fahrbahn. Bei irritierten Autofahrern zeige ich auf den Laster, der halt grad meinen Strassenraum besetzt.

Später dann, der Hauptachse entlang: Ein Doppellaster, der von Solothurn Material in eine Fertigpizzeria anliefert: Er steht zur Hälfte auf dem Radstreifen, zur anderen Hälfte besetzt er das Trottoir. Ok, denke ich, machen wir auch hier einen Platzwechsel. Langsam schlendere ich in der Mitte der Fahrbahn auf der Hauptachse um den Sattenschlepper herum und betrachte ihn. Die Fahrbahn ist breit genug, die lange Reihe von Fahrzeugen weicht mir aus, die auf der Gegenfahrbahn weichen ebenfalls leicht nach rechts, das Ganze ergibt zwei fast schon hübsche Bogenformen. Genervt hat sich wohl niemand, höchsten gefragt, denn ich blickte einigermassen irritiert oder besorgt den Sattelschlepper an. Geht’s um so eine Blechkiste, gilt offenbar allumfassendeToleranz. Erst als ich das Natel zücke und versuche das Ganze festzuhalten, startet der Motor und das Riesending gibt Velostreifen und Trottoir frei.

Nochmals ein paar Tage später: Wir warten auf den Bus. Obwohl es reihenweise leere Parklätze gibt, parkt so ein Trainerhösli-Sonntagspapi seinen Hochglanz-Schrott auf dem Busparkfeld, hä ja, ist ein bisschen näher zum Kiosk. M. meint locker: „Komm lass uns einsteigen, der Bus ist da.“ Aber mich hat er angeekelt, der polierte Suv. Was für ein kleines Ego muss einer haben, der sowas braucht!

Zehn Minuten später kommt er zurück, Glacé auf dem Arm, den Sonntagsblick darunter, das Töchterli stumm daneben. Mit starrem Blick versucht das Trainerhösli, die blockierten Busse und deren wartende Chauffeure zu ignorieren.

Die weisen ihn trotzdem darauf hin, dass wenig weiter leere Parkfelder stehen, der jetzt verstellte Platz dem Bus zusteht, der nicht anständig parken konnte. Keine Antwort, kein Blick, keine Reaktion geschweige denn eine Entschuldigung. Einsteigen, Vollgas, ab.

Dann lesen wir die Abstimmungsresultate des Kantons: Wir verstehen, woher diese knapp 70% kommen, die immer noch mehr Verkehrsfläche fordern. Für sich und die Ihren. Diese 70% sind eigentlich die meisten von uns. Ich muss also selber schauen, wo ich bleibe, wenn ich zu Fuss und mit dem Velo unterwegs bin.

Eigentlich bin ich ja nicht mehr so gut zu Fuss. Eigentlich brauche ich schon sehr bald einen Rollator. Mit dem werde ich dann sämtliche auf Trottoirs und Velostreifen parkierte Blechkisten mitten auf der Fahrbahn gemächlich umschlurfen. Es lebe der Mischverkehr!


Marlies Bänziger,
4.10.2017, 116. Jahrgang, Nr. 277.

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