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«Wandzeitung» vom 4.11.2017:

Einbahn:

L. kann nichts dafür.

Es war Mitte Oktober. Mit dem Velo fuhr ich Richtung Markt, hatte mich dort zu einem Kaffee verabredet und wollte zuvor noch Gemüse und Früchte einkaufen.

Wie gewöhnlich bog ich bei der Milchrampe links ab, Richtung Manor, leicht irritiert über den plötzlichen Verkehrstafelsalat, der – nebst Materiallager – den Überblick etwas einschränkte. Einbahn, ok, an dieser kleinen Stelle haben sie vermutlich den Zusatz „Velo gestattet“ vergessen, falls es überhaupt für diesen Teil der Strasse gilt, war allerdings absurd wäre, dachte ich und bog ein.

Da stand sie, adrett in der frischen Uniform und der gepflegten Erscheinung. Sie strahlte mich an, immerhin hatte sie mich auf frischer Tat ertappt, und schliesslich war sie vermutlich genau dafür an genau diesen Ort abbeordert worden. Die 30 Franken könne ich ihr direkt zahlen, was ich gegen Quittung auch tat. Direkt hinter der Uniformierten L. stand, halb auf dem Trottoir, halb auf der Strasse, im absoluten Halteverbot parkiert, die Laderampe auf der Strasse, - ein Lieferwagen. Ob das auch 30 Franken koste, fragte ich. Aber nein, der Mann hätte gefragt und Frau L. hätte es ihm erlaubt, das Parkieren im absoluten Halteverbot und auf der Baustelle, schliesslich müsse der Mann ja arbeiten, Eier ausladen, genau gesagt.

Sie könne auch nichts dafür, sie müsse das machen, sei hierher geschickt worden, erklärte sie den nächsten drei Frauen auf dem Velo, die ebenfalls auf dem Weg zum Markt die Signalisation übersehen hatten. Nein, Frau L. kann tatsächlich nichts dafür, das glaube ich ihr aufs Wort. Ich mag ihr auch den Finanzerfolg gönnen. So viele Velos in so kurzer Zeit, der Standplatz war extrem gut gewählt, ein voller Erfolg, quasi. Und immerhin konnte sie auch noch ein bisschen persönlichen Handlungsspielraum nutzen, beim parkierten Lieferwagen im absoluten Halteverbot.

Die 30 Franken reuen mich nicht, ich habe dafür einen vielsagenden Einblick in den Arbeitsalltag von L. gewonnen und kurzweilige Dialoge mit anderen Velofahrinnen geführt.

Ein paar Tage später sah ich L. auf der Seidenstrasse. Da kam mir die Diskussion um die immer grösseren Autos in den Sinn. Da kann auch niemand etwas dafür, das ist einfach so. Autos werden offenbar immer grösser. Logo brauchen sie mehr Parkraum, in der Länge aber auch in der Breite. Die Parkstreifen müssen also verbreitert werden. Auch in der Seidenstrasse oder etwa bei uns im Quartier.

Menschen werden übrigens auch immer grösser und breiter, da kann auch keiner etwas dafür, das ist einfach so. In der Analogie müssten dementsprechend auch die Trottoirs verbreitert werden.

Zuerst werden also Trottoirs verbreitert für grössere und breitere Menschen. Dann folgen die verbreiterten Parkstreifen für die immer grösser werdenden Autos die stehen, die Stehzeuge. Der Rest des Strassenraumes bleibt für die Fahrzeuge. Dieser Strassenraum wird in der Breite etwas schmaler, reicht dann nur noch für eine Fahrbahn. Folge ist das durchgängige Einbahnsystem vor allem in den Wohnquartieren. Für L. ändert sich damit nichts: Egal wohin sie abbeordert wird, sie kann Einbahn kontrollieren, für alle.


Marlies Bänziger,
4.11.2017, 116. Jahrgang, Nr. 308.

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