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«Wandzeitung» vom 12.7.2017:

Eine ausgewogene Berichterstattung ist nicht einfach zu finden:

Wenn Medien die Realität verzerren.

«Sie lügen wie gedruckt. Wir drucken, wie sie lügen» ist der Slogan der linken Berliner Tageszeitung «Junge Welt». Zwar gehe auch ich davon aus, dass die Berichterstattung manipuliert wird, dass Meinungen gemacht und gestreut werden. Aber ich glaube nicht, dass alle Medienleute Tatsachen verfälschen, eher dass sie Information übernehmen, die sie für das Abbild der realen Umstände halten. Auch, weil sich die Info mit ihrer eigenen Wertehaltung oder die ihres Arbeitgebers deckt. Bei der Suche nach einem Foto zu einem Artikel wird aber oft nicht lange gefackelt. Aus Zeitnot oder weil das Bild gut zum Text passt.

Ein Beispiel: Am 1. September 2016 fanden in Caracas Demonstrationen der Regierungsgegner, aber auch ihrer Befürworter statt. Die bolivianische Zeitung «Página Siete» bebilderte ihren Artikel «Menschenmenge fordert in Caracas die Amtsenthebung Maduros» mit einem Foto, auf dem die Grossdemonstration der Regierungsanhänger zu sehen ist. In der Berichterstattung zum selben Tag erwähnten weltweit verschiedene Medien in einem Nebensatz, dass man sich auf Informationen der Oppositionssprecher stützte. Die Angaben über die Anzahl der demonstrierenden Oppositionellen schwankten zwischen 100 000 und einer Million Menschen.

Die Medien berichten auf der ganzen Welt von Venezuela. Zum Beispiel, dass dort gewisse Nahrungsmittel und Toiletten-Papier Mangelware sind. In einem Artikel im «New Yorker» las ich etwas, was ich zuvor noch nie gelesen hatte: Empresas Polar, Venezuelas führendes Unternehmen für Lebensmittel und Bier, soll die Produktion willkürlich massiv gesenkt haben, um Maduro als Sündenbock darzustellen. Das Management sagte dem Volk, Maduro gebe die US-Dollars nicht frei, die nötig wären, um unabdingbare Zutaten für den Herstellungsprozess aus dem Ausland zu importieren. Empresas Solar rächt sich so an Maduro für seine Drohung, den Betrieb zu verstaatlichen. Für ein vollständiges Bild einer jeweiligen Situation muss man sich von links bis rechts durchlesen.

Die Medien berichten oft einseitig aus Ländern mit linken Regierungen. Nach der sogenannten Öffnung Kubas sind die gehässigen Artikel weniger geworden. Und nachdem mit der ehemaligen brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff verbal abgerechnet wurde, ist nun Venezuela neue Zielscheibe.

Wer in unserem Land die NZZ und den Zürcher Tagi liest und sich ausgewogen informiert glaubt, irrt. Das Lesen der linken WOZ trägt nur bedingt zu einem umfassenderen Verständnis bei, denn auch sie ist oft nur eine weitere Zutat im Einheitsbrei der Mainstream-Medien, zum Beispiel in der Berichterstattung über Kuba. Am 1. Mai 2017 sprach ich den Mann, der die WOZ gratis verteilte, darauf an. Er sagte, man könne keine radikalen Artikel veröffentlichen, sonst werde man nicht ernst genommen. Es sei das kleinere Übel, in gewissen Themen der Tendenz der Mainstream-Medien zu folgen, als keine WOZ mehr zu haben in der Schweizer Medienlandschaft.

Auch wer das Gedankengut der Linken nicht teilt, tut zwecks einer anderen Sichtweise gut daran, ab und zu eine wirklich linke Zeitung zu lesen. Die «Junge Welt» gibt es an allen Kiosks am Winterthurer Hauptbahnhof.

 


Rosmarie Schoop,
12.7.2017, 116. Jahrgang, Nr. 193.

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Standpunkte:

10.8.2017, 16:40 Uhr.

Veronika Herzig schrieb:

Danke für den Tipp: Dank regelmässiger Lektüre der jW fühle ich mich
einigermassen informiert. Diese Zeitung ist inzwischen an verschiedenen
Winterthurer Kiosken (allein drei am Bahnhof) erhältlich. Die gut recherchierten
Artikel und Analysen erfordern nicht wenig Zeit: Auch braucht es ein robustes Nervenkostüm, wenn man sich entschliesst, seine eigene Meinung zu vetreten, das heisst die «allgemeine Meinung» nicht zu teilen. Manchmal redet man dann lieber
übers Wetter ...


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