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«Wandzeitung» vom 14.2.2017:

Überleben Freundschaften einen Umzug?

Zügeln zum 25sten ...

Ich bin eine Oft-Züglerin und nicht nur das, ich helfe auch anderen bei ihren Umzügen. Ich habe reichlich Erfahrung und könnte wohl, könnte ich denn Auto fahren, erfolgreich eine Umzugsfirma führen. Ich bin strategisch in der Organisation kräftig beim Anpacken und habe ein sattelfestes Gefühl beim Einrichten, installiere, montiere. Es gibt nichts, was meinem unternehmerischen Naturell nicht liegen würde: rund ums Zügeln. So hat es sich ergeben, dass ich bei Umzügen in meinem Umfeld wie selbstverständlich mitmache. Ich nehme mir frei, stelle mich fürs Anpacken zu Verfügung, zum Putzen, zum Einpacken oder sogar für Gespräche mit ehemaligen Vermietern, allenfalls alles zusammen – was eben so anfällt.

So stand anfang Februar wieder ein Wohnungswechsel an, der meiner lieben Schwester S., ich meldete mich wie üblich zum Dienst, nahm mir besagten Tag frei. Doch je näher das Datum kam, je bewusster wurde mir, dass ich die psychologischen Aspekte noch nie so genau angeschaut hatte. Es fiel mir nämlich plötzlich auf, dass ich zu jeder Person, der ich schon beim Umzug half, keinen Kontakt mehr hatte. Schlimmer noch: Wir uns nicht mal mehr sprachen, oder aber nur einen halbherzigen Draht aufrecht erhalten hatten. Dies durfte diesmal nicht passieren. Schliesslich ging es um die Beziehung zu meiner Sister. Die Reflexion begann.

Da war meine langjährige Freundin, welche ich seit dem Kindergarten kannte, wir nannten uns Freundin statt des Vornamens. Sie zog nach weit weit weg und ich reiste mit dem Zug an, an einem verregneten Tag, der Wohnort 30 Minuten Fussweg vom Bahnhof entfernt. Sie versprach mir, mich vom und zum Bahnhof zu fahren. Beim Hinweg morgens war sie verhindert, ich lief und fand schliesslich besagte Adresse und packte mit all meiner Kraft körperlich und mental zu, denn meine Freundin hatte kurze Zeit später einen Nervenzusammenbruch und fiel aus, ich übernahm zusammen mit ihrem Freund die weitere Organisation und Arbeit.

Schraubte noch Möbel zusammen, als sich andere schon wieder auf den Heimweg machten. Keine Verpflegung, nur eine kleine Sirup-Pause und «finalement» auch keine Autofahrt zurück zur Bahn. Ich lief abends im Dunkeln, nass vom Regen, mit schmerzenden Füssen zurück zur Station. Wir nannten uns danach nicht mehr sehr oft Freundin. Oder das andere Mal, dass ich einer Freundin half – sie während des Zügelns stundenlang und nicht mehr erreichbar verschwand – und mir zudem ihre zweijährige quengelnde Tochter überliess. Auch zu ihr besteht keine Verbindung mehr. Wie auch von meinem langjährigen Freund, dem ich und ein Kollege von mir beim Umzug halfen, gibt’s heute nicht mal mehr einen Gruss, wenn wir uns sehen...

Natürlich liegt das Ende solcher Beziehungen nicht primär am schlechten Verlauf der Umzüge, doch zeigen sich die Menschen wohl sehr deutlich und unverstellt in solchen stressigen Situationen. Sicher gibt es dazu wissenschaftliche Studien. Die kenne ich aber nicht. Ich muss mir selbst eine Strategie ausdenken, dass ich weiter eine freundschaftliche Verbindung zu meiner little Sis pflegen kann. Wie wunderbar, sie lud mich nach dem anstrengenden Tag gleich zum Mittagessen ein.


Lilian Setenou,
14.2.2017, 116. Jahrgang, Nr. 45.

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