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«Wandzeitung» vom 11.3.2017:

Die EU setzt auf eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes:

Das Ende der Friedensmacht Europa.

In ihrer grössten Krise propagiert die «Friedensmacht Europa» eine vertiefte militärische Integration ihrer Mitgliedsstaaten. Ausgerechnet die EU, die für ihre Bemühungen um nachhaltigen Frieden in Europa 2012 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, setzt in Zeiten staatlicher Budgetrestriktionen auf eine Erhöhung des Verteidigungshaushaltes. Massnahmen zur Sicherung des sozialen Friedens und der Lebensqualität müssen warten.

Treibende Kraft dieser Integration ist das Ziel, die europäische Sicherheit wirkungsvoller zu gestalten. Notwendige Schritte dazu: Verzahnung ziviler und militärischer Kompetenzen sowie gemeinsame Rüstungsprojekte. Begründung dazu: eine europäische Reaktion auf die sich verschärfenden geopolitischen Krisen, so etwa in der Ukraine.

Dabei dient ein militärisch wiedererstarktes Russland als Feindbild und Legitimation. Die von den USA eingeforderte stärkere Beteiligung der europäischen NATO-Mitglieder liefert den Vorwand, diese Entwicklung zu beschleunigen.

Seit dem Ende des 2. Weltkriegs ist das Verhältnis des Westens zu Russland durch zwei historische Erfahrungen geprägt: Die Phase der Konfrontation im Kalten Krieg und daran anschliessend einen kurzen Zeitabschnitt der Entspannungspolitik. Letztere war eine Reaktion auf den Rüstungswettlauf, der immer neue Eskalationen und damit Unsicherheiten provozierte. Zum Erstaunen vieler erwiesen sich vertrauensbildende Massnahmen, Abrüstung, Abzug von schweren Waffen und gegenseitige Inspektionen, als die effektivsten Schritte zur Friedenssicherung.

Die aktuelle Entwicklung knüpft dagegen an konfrontative Traditionen an. Allerdings unter veränderten Vorzeichen.

Seit der Auflösung der Sowjetunion ist die Region von vielfältigen Krisen geprägt. Der ökonomische Niedergang aller Nachfolgestaaten provoziert immer wieder Verteilungskonflikte. Der Verarmung breiter Schichten steht die Herausbildung einer kleinen Machtelite gegenüber, der es gelang, sich in den Privatisierungsprozessen zu bereichern. Einer gesellschaftlichen Demokratisierung steht sie bestenfalls skeptisch gegenüber, da sie ihre politischen und wirtschaftlichen Privilegien gefährden würde. Der aktuelle Konflikt in der Ukraine steht beispielhaft für diese Entwicklung. Destabilisierend wirkte sich auch das Versäumnis aus, eine europäische Sicherheitsarchitektur zu schaffen, die Russland miteinbezieht. Trotz wiederkehrender russischer Angebote, reagierte die EU auf solche Vorschläge äusserst verhalten. Stattdessen erhöhte die NATO-Osterweiterung die Spannungen zwischen Russland und dem Westen.

Es ist abzusehen, dass die Neuausrichtung der europäischen Sicherheitspolitik zu weiteren Konflikten im post-sowjetischen Raum führen wird. Die Stationierung europäischer Streitkräfte in Litauen oder die Debatte über eine europäische Atombombe provozieren eine russische Gegenreaktion. In einer solchen Atmosphäre ist eine Debatte über Abrüstung und gemeinsame Sicherheit in Europa unter Einschluss Russlands absolut notwendig.

Langfristig bedarf es eines Programms zur wirtschaftlichen Stabilisierung des post-sowjetischen Raums. Nur dann scheinen weitere Konflikte vermeidbar.


Ludi Fuchs,
11.3.2017, 116. Jahrgang, Nr. 70.

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