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«Wandzeitung» vom 11.7.2017:

Europa von unten:

Eine andere Welt ist möglich!

So das Motto der Bewegungen, die von Seattle 1999 bis Genua 2001 die neoliberale Globalisierung anprangerten und weltweite Gerechtigkeit einforderten. Seither scheinen nicht bloss 15 Jahre, sondern ein ganzes Jahrhundert vergangen. Damals, im «goldenen Zeitalter» der globalisierten Wirtschaft, dienten die Gipfeltreffen der G8 dazu, eine «neue Weltordnung» zu entwerfen, verbunden mit dem Versprechen eines immer breiteren Schichten der Menschheit zugute kommenden kapitalistischen Wachstums.

Heute, rund zehn Jahre nach dem Beginn der grossen Finanzkrise, sind die unerträglichen sozialen und ökologischen Folgen des neoliberalen Modells der Globalisierung offensichtlich. Noch nie war weltweit der Reichtum, den die Menschheit in ihrer Produktivität gemeinsam schafft, derart ungleich verteilt und konzentriert. Und noch nie ging die zunehmende gesellschaftliche Ungerechtigkeit mit derart katastrophalen Störungen des Ökosystems einher.

Aus den G8 sind nunmehr, im Zeichen einer unregierbaren «Weltunordnung», die G20 geworden, die sich bei allen sonstigen Unterschieden, mit zwei politischen Krisen-Antworten begegnen – und stellenweise miteinander kollidieren – zum einen eine, die angesichts der gesellschaftlichen Verwerfungen eine Rückkehr zum Nationalismus, zum Protektionismus und zu autoritären Formen der Regierung propagiert; zum anderen eine, die auf Stabilisierung, auf eine Rückkehr zum business as usual der flexiblen Akkumulation setzt. Beide jedoch beabsichtigen keineswegs, die grundlegenden neoliberalen Prinzipien der vergangenen vier Jahrzehnte zur Disposition zu stellen.

Im Gegenteil: Die Unumkehrbarkeit der Globalisierungsprozesse steht für die einen wie für die anderen ausser Frage. Und ebenso klar ist, dass es einer der Pfeiler und zugleich eine der grossen Schwachstellen des kapitalistischen Systems ist, alle Momente gesellschaftlicher, kultureller, geografischer Verschiedenheit zu «verwerten» und sie zu Faktoren der Spaltung, einer differenzierenden Ausbeutung sowie der Kontrolle über die Finanz-, Waren- und Menschenströme zu machen.

Unausweichlich vervielfachen solche Bedingungen die Spannungen und Konflikte. Die permanente Krise steht gegen die Vorstellung einer realisierbaren «globalen Governance». Der Ausgang ist offen, Tragik und Katastrophen sind ebenso wahrscheinlich wie das Auftauchen einer Möglichkeit radikalen Wandels.

Eine andere Welt ist möglich! Das zeigen die Mobilisierungswellen der vergangenen Monate weltweit, in welche auch die Kämpfe gegen Austeritätspolitik, Verarmung und Prekarisierung einfliesssen, die dazu beitrugen, in den vergangenen Jahren einen neuen gesellschaftlichen und politischen Raum eines «Europa von unten» zu umreissen, der nun neue Ausdrucks- und Organisationsformen sucht.

Alle diese Ereignisse können mehr sein als ein isoliertes Aufflackern des Protests. Dann nämlich, wenn sie dazu beitragen, im Zusammenwirken der verschiedenen Wellen von Bewegung die mögliche politische Flut sichtbar zu machen, in der eine «dritte Option» aufscheint.

 


Ludi Fuchs,
11.7.2017, 116. Jahrgang, Nr. 192.

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