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«Wandzeitung» vom 17.10.2017:

Entsorgt werden könnten auch Wut, Frust, Neid und Hass:

Treffpunkt.

Das Tössemer Quartier Dättnau liegt etwas abseits und hat keinen Treffpunkt, denn es gibt keine regelmässig geöffnete Beiz und keinen Laden. Die Sammelstelle für Büchsen, Flaschen, Batterien, Altöl, Altmetall und Kleider an der Dättnauerstrasse unterhalb des Schulhauses Laubegg ist ein Treffpunkt der anderen Art. Hier treffen sich Leute unterschiedlichen Alters, fast ausschliesslich Männer. Die älteren sind unterwegs mit einem Töffli, mit einem selbst gebastelten Veloanhänger. Die eher Jüngeren fahren standesgemäss mit dem Auto vor, aber alle haben dasselbe Ziel: Die Altmetallmulde. Hier gibt es die verschiedensten Dinge, welche froh machen, das Leben erleichtern oder sich zu Geld machen lassen.

Da gibt es, wie ein Augenschein ergibt, einen Kinderwagen, einen Papierkorb, einen Grill, ein Glättebrett, Bratpfannen, einen Ventilator, ein Fitness-Velo, ein Kinderbett, eine schmiedeiserne Lampe, Stühle, ein Velo, Lautsprecher-Boxen, ein Mikrowellenofen. Alt und Jung umrunden die Altmetallmulde, zum Teil bewaffnet mit einem Fanggerät, um nicht in die Mulde herabsteigen zu müssen, offensichtlich Profis. Es gibt keinen Streit, hin und wieder ein Gespräch zur Frage, ob der Ventilator noch funktionsfähig sei oder sich das Kinderbett verkaufen liesse.

Bei der Sammelstelle weist ein Schild in sieben Sprachen darauf hin, dass unter anderem das Entnehmen von Abfällen verboten sei. Doch das kümmert niemand. Warum auch? Es ist doch lobenswert, wenn sogenannter „Abfall“ mit Hilfe geschickter Bastlerhände wieder zu neuem Leben erweckt wird. Interessanterweise heisst die Sammelstelle nicht Entsorgungsstelle. Hier wird gesammelt und nicht entsorgt. Mein Vorschlag an die Stadtbehörden für ein neues Schild: Die Entnahme von Gegenständen aus der Abfallmulde wird unterstützt, weil die Stadt Winterthur das Recycling fördern will.

Der Sammelstellen-Treffpunkt könnte ohne grosse Kosten aufgewertet werden durch das Aufstellen von Sitzbänken. Hier könnten Quartierbewohner an die „Entsorger“ und „Recycler“ interessante Fragen stellen. So zum Beispiel an den Mann, welcher viele Raviolibüchsen zum Entsorgen bringt: Fehlt eine Frau, kann oder will sie nicht kochen? An die Person, welche eine 5-Liter-Weinflasche nicht durchs Einwurfloch bringt: Warum so billigen Weinfusel, ist doch schade fürs gute Essen? Müsste die Frau mit dem Kleidersack nicht angesprochen werden? Vielleicht weiss sie nicht, dass die verlöcherte Hose nicht entsorgt werden sollte. Im Gegenteil, sie wäre top modisch.

Entsorgt werden könnten auch Wut, Frust, Neid und Hass. Die Bänklibenutzer wären gute Zuhörer, Zuhörerinnen und könnten abwechslungsreiche Stunden erleben. Besonders Pensionierte wären wieder mitten im Leben. Sie hätten keine Langeweile zu erdulden und könnten eine hilfreiche Aufgabe erfüllen.

Nun gilt es, die genannten Ideen in die Tat umzusetzen. In wenigen Monaten finden Gemeinde- und Stadtratswahlen statt. Kandidatinnen und Kandidaten könnten sich an den Sammelstellen entsprechend profilieren.


Haymo Empl,
17.10.2017, 116. Jahrgang, Nr. 290.

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