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«Wandzeitung» vom 18.8.2014:

Selige Kindheitserinnerungen:

Onkel und Tanten.

Der Titel stammt nicht von mir. Die NZZ hat ihr «Folio» vom vergangenen Monat den obgenannten Bezugspersonen gewidmet, von denen sich so manche als prägende Charakterköpfe in allen ihren Facetten erwiesen. Auch wenn ich mich über meine Eltern nicht beklagen kann, sondern insgesamt eine gute Jugend verbracht habe, wurde mir bewusst, dass auch für mich Onkel und Tanten mit besonderen Erlebnissen verbunden sind.

Ich war in der zweiten Klasse der Primarschule, als meine Mutter wegen einer Tuberkulose längere Zeit zur Kur weg musste. Während meine Schwester diese Zeit in Altdorf verbrachte, ging ich in Lenzburg zur Schule und wohnte bei einem Onkel und einer Tante am Rande des Städtchens. Ich genoss dort Freiheiten, die ich zu Hause nicht hatte. Wenn ich nach der Schule in ihr Haus zurückkehrte, war nicht immer jemand da. Für diese Fälle hatte ich einen Schlüssel bei mir. Onkel und Tante hatten ein Auto, was damals etwas Besonderes war. Ich genoss die Ausfahrten mit ihnen. Besonders jene allein mit meiner Tante, wenn auch der Onkel nicht dabei war. Zu meiner grossen kindlichen Freude liebte sie es nämlich, mit ihrer ganzen Kraft aufs Gaspedal zu drücken. Wir kreischten Beide, wenn sie dabei über 100 Stundenkilometer hinauskam, eine damals hohe, verrückte Geschwindigkeit. Auch spielte sie Tennis, und ich durfte jeweilen Tennisballen auflesen und verdiente mir dabei so viel Sackgeld, wie ich es zu Hause nie hatte. An die Jahrmärkte im Städtli durfte ich ohne erwachsene Begleitung gehen. Wir Kinder kauften uns das, was eben Kinder lieben: Zuckerwatte, Basler Messmocken und dergleichen. Auch weiss ich noch, dass ich mir eine Wasserpistole kaufte, die ich bei meiner Rückkehr nach Winterthur lange versteckt hielt, weil mein Vater den Besitz von Pistolen irgendwelcher Art verpönte. Und ein Saxofon. Natürlich nur eines aus Plastik. Aber ich konnte so wunderschön darauf päpen.

In Aarau lebten zwei Grosstanten, die Schwestern meines vor meiner Geburt verstorbenen Grossvaters mütterlicherseits. Wir liebten die Besuche bei ihnen, weil wir immer verwöhnt wurden. Es gab zwar Schwarztee, den ich ja eigentlich gar nicht mag, aber wir durften so viel Milch und so viel Zucker beifügen, dass uns das Gemisch richtig schmeckte. Und dazu gab es Gebäck. Ein Kindertraum.

Und dann war da auch noch unsere Tante Emmi, eine Schwester meines Vaters. Sie arbeitete bei der städtischen Finanzkontrolle und pflegte daneben in ihrer Wohnung eine weitere Schwester, die lebenslänglich bettlägerig war. Wie zuvor meine – älteren – Cousins und Cousinen, war auch ich oft zum Mittagessen bei ihr. Nur sie und ich. Mit ihr konnten wir Kinder Sachen besprechen, die wir in der damaligen Zeit mit den Eltern nicht konnten. Für alles hatte sie Verständnis, und sie legte immer wieder einmal ein gutes Wort bei ihren Geschwistern für ihre Neffen und Nichten, deren Kindern, ein.

Eigentlich wollte ich auch noch von der Tante Betty in Berlin erzählen, aber dazu reicht der Platz nicht mehr.


Ruth Huber,
18.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 74.

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