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«Wandzeitung» vom 16.10.2017:

Kampfbegriffe meiden? Nein, positiv besetzen:

Staatsfernsehen.

Eine Podiumsdiskussion in Zürich, zwei Teilnehmer, ein Moderator, etwa 40 Zuhörer. Es ging um die SRG, die No-Billag-Initiative, Zeitungen, Sparmassnahmen – kurz: um die Zukunft der Medienschweiz. Ich war als «Tages-Anzeiger»-Redaktorin und SRG-Kritikerin eingeladen, der andere Gast war Tagesschau-Moderator Franz Fischlin. Die Mediengewerkschaften hatten den Anlass organisiert, und so war das Publikum tendenziell SRG-freundlich und Tamedia-kritisch. Das Klima war gut, das Gespräch lebhaft und interessant. Doch an einem Punkt entbrannte ein gehässiger Wortwechsel zwischen mir und einer Zuhörerin: Ich solle das Wort «Staatsfernsehen» bitte nie mehr verwenden, sagte sie. Ich hatte es zwar gar nicht verwendet in der Diskussion, und wahrscheinlich auch noch in keinem Artikel.

Doch das war sekundär. Es ging um die Frage: Darf man «Staatsfernsehen» sagen und schreiben? Ich bin der Ansicht: ja. Damit verärgerte ich einige Leute im Publikum, und es gab hinterher beim Apéro noch eifrige Diskussionen deswegen. Sicher ist der Begriff arg verkürzend und damit nur halbwegs zutreffend. Wir haben in der Schweiz streng genommen kein Staatsfernsehen. Sondern eine privatrechtlich organisierte Rundfunkanstalt, die vom Bund beauftragt ist, Radio und Fernsehen zu machen, wie es Verfassung, Gesetz, Verordnung und Konzession vorschreiben. Dieser Auftrag wird mit einem Betrag entgolten, den der Bund über die Gebühren eintreibt. Aktuell macht das die Billag, ab 2019 das Jungunternehmen Serafe aus Fehraltdorf. Jedenfalls: Der Staat besitzt die SRG nicht und betreibt sie auch nicht. Er formuliert lediglich den Auftrag und treibt das Geld ein, das für die Erfüllung des Auftrags nötig ist. Die Strukturen sind so angelegt, dass die SRG möglichst staatsfern ist, dass die Politik möglichst wenig Mitspracherecht hat bezüglich Programmgestaltung und Inhalte.

«Staatsfernsehen» ist also nicht treffend, aber auch nicht abwegig. Meine Kritiker fanden, man dürfe das Wort nicht benutzen, weil man damit das Vokabular der SVP übernehme und ihr nachplappere. Anderseits: Wenn ich es nicht verwende, weil die SVP es negativ besetzt hat, dann richte ich mich genauso nach der Partei. Einfach andersherum, unter anderem Vorzeichen. Viel besser wäre es, den Begriff positiv zu besetzen. «Unser Staatsfernsehen wird von feindlichen Mächten bedroht», könnte der Slogan lauten. Oder: «Gut informiert, unterhalten und gebildet – dank unserem Staatsrundfunk».

Es gibt Begriffe, die man kategorisch nicht verwenden sollte. Weil man damit Menschen diffamiert, ihre Würde in Frage stellt. Das ist ein Grund, einen Begriff zu meiden. Das Kampfvokabular einer Partei hingegen ist kein Grund, im Gegenteil. Sich davon einschüchtern zu lassen gleicht einer politischen Bankrotterklärung.


Claudia Blumer,
16.10.2017, 116. Jahrgang, Nr. 289.

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