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«Wandzeitung» vom 28.2.2017:

Kirchen als Werbeagenturen?

Wie eine Stadt auf dem Berg.

Vor vielen Jahren hat die «Schweizer Illustrierte» sechs Werbeagenturen auf Weihnachten hin den Auftrag gegeben, eine Werbung für Gott zu gestalten. Die Gelungenste zeigte Naturbilder – z.B. mit dem Matterhorn – und dem Slogan «Gratis. Gott sei Dank». Eine Agentur hat beschlossen, alle Mitarbeitenden am nächsten Sonntag in ihre jeweilige Ortskirche zum Gottesdienst zu senden, weil doch die Kirchen die besten Werbeagenturen für Gott sein müssten. Am Montag haben sie Bericht erstattet: In den verschiedenen Kirchen sind mehr Leute gewesen als erwartet, und inhaltlich waren die Feiern viel interessanter als gedacht. Darum entstand ein Plakat mit dem Text: «Sind die Kirchen leer? Sehen Sie doch mal nach!»

Die Kirchen als Werbeagenturen für Gott? Wird das dem Selbstverständnis der Kirchen gerecht? Im Evangelium gibt es dazu eine klare Aufforderung des Kirchenstifters: «Ihr seid das Salz der Erde. Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt auf dem Berg kann nicht verborgen bleiben. Euer Licht soll vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.» (Matthäus 5, 13 – 16) Eine Stadt auf dem Berg – da muss ich immer an die Toscana denken. Wie aber sind die Kirchen konkret Salz der Erde, Licht der Welt, eine Stadt auf dem Berg?

Wenn wir den Jugendlichen der zweiten Oberstufe in einer Unterrichtsreihe «typisch katholisch» vorstellen, beginnen wir schon mit dem Kirchengebäude, organisieren aber dann vor allem Begegnungen mit sozialen kirchlichen Einrichtungen wie: Gefängnisseelsorge, Spital- und Altersheimseelsorge, Bahnhofskirche und Flughafenpfarramt, Telefonseelsorge Nr. 143 «Die dargebotene Hand», Notfallseelsorge – von Polizei und Feuerwehr in Anspruch genommen, pfarreilichem Sozialdienst, Flüchtlingsengagement mit vielen Freiwilligen, Lehrlingsberatung «Kabel».

Die katholische Kirchgemeinde Winterthur leistet sich eine fest angestellte Kommunikationsberaterin: damit die Menschen unsere guten Werke sehen. Ob sie deswegen den Vater im Himmel preisen, entgeht unserer Wahrnehmung. Diese Fachfrau ist zur Zeit daran, einen Prospekt zu entwerfen, der im Zusammenhang mit häuslicher «palliative care» (schmerzstillende Pflege am Lebensende) unsere kirchliche Bereitschaft zu «spiritual care» (seelsorgerliche Begleitung) bekannt machen soll. Dies entspricht der medizinischen Einsicht, dass der Mensch in dieser Lebensphase oft auch religiösen Beistand braucht.

Durch ein wunderbares Referat von frère Richard aus der ökumenischen Mönchskommunität von Taizé im Januar bin ich noch auf ein Feld aufmerksam geworden, in dem die Kirchen «Licht der Welt» werden könnten. Er hat über die altchristlichen Tischgemeinschaften von Juden und Nicht-Juden gesprochen, von Reinen und Unreinen im damaligen Verständnis – eine Revolution, die Paulus leidenschaftlich verteidigt, z.B. im Brief an die Galater: Einheit wichtiger als Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Frau.

Überall, wo Zusammensein über trennende Grenzen hinweg gelingt, ereignet sich «eine Stadt auf dem Berg», eine vorwegnehmende zeichenhafte Verwirklichung der einen Menschheitsfamilie.


Hugo Gehring,
28.2.2017, 116. Jahrgang, Nr. 59.

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