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«Wandzeitung» vom 18.12.2014:

Auch die Demokratie schützt nicht immer vor Ungerechtigkeit:

Rechtsungleichheit versus Rechtsgleichheit.

Schon der alte Artikel 4 unserer Bundesverfassung von 1874 garantierte, es seien alle vor dem Gesetz gleich und es gebe unter anderem keine Vorrechte von Familien oder Personen. Eine entsprechende, ebenso deutliche Bestimmung findet sich in der neuen Bundesverfassung von 1999. Der Artikel 8 trägt die Überschrift Rechtsgleichheit und formuliert in seinem ersten Absatz schlicht und einfach: Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

Und nun haben wir am 30. November über eine Volksinitiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre» abgestimmt, die den Kantonen die Pauschalbesteuerung verbieten wollte, mit der Superreiche Steuern nicht so bezahlen müssen wie wir alle, nämlich nicht nach den Regeln der Steuergesetze, sondern pauschal oder ausgedeutscht viel weniger. Die Initiative wurde nicht angenommen. Sie erhielt zwar in unserer Stadt und unserem Bezirk eine zustimmende Mehrheit, insgesamt in der Schweiz aber nur 40 Prozent Ja-Stimmen. Dabei kann es keine Geiss wegschlecken, dass sie dem Rechtsgleichheitsgebot widerspricht. Dieses statuiert, es seien alle «Menschen» vor dem Gesetz gleich, nicht alle Superreichen. Die Sonderregelungen sind also in höchstem Mass un-gerecht und bleiben es auch nach dieser Abstimmung. Das Argument, diese reichen Ausländer kämen sonst nicht in die Schweiz und wir bräuchten ihr Geld, geht fehl. Was gäbe es doch für einen Aufschrei, wenn beispielsweise ein reicher Ausländer nach einem hier begangenen Delikt dem Staat Geld anbieten würde, das dieser so gut brauchen kann, um nicht ins Gefängnis zu kommen? Dort kämen wohl alle mit dem wohlbekannten Spruch, es seien eben nicht alle gleich, sondern einige gleicher. Was im Verbrechensbeispiel wohl allgemeine Meinung wäre, hat bei der Pauschalbesteuerung die Mehrheit anders gesehen und entschieden.

Als es sie noch gab, gehörte ich der Demokratischen Partei an. Ich bin überzeugte Demokratin. Als solche akzeptiere ich den Volksentscheid, weil er dem Willen der Mehrheit der Stimmenden entspricht. Das hindert mich aber nicht daran, ihn als ungerecht zu kritisieren. Wie so vieles in der Schweiz und erst recht in der Welt ungerecht ist. Aber trotz der Ungerechtigkeit verzweifle ich nicht am demokratischen Prinzip.

Demokratie von seinem Sinn als Herrschaft des Volkes, also von uns allen, bedeutet ja, dass unter jedem Regelungspunkt nur eine Minderheit zu leiden hat, eben jene, die überstimmt ist, während die Regelung von der Mehrheit akzeptiert ist. Und mit der in weitem Mass direkten Demokratie, die in unserem Land installiert ist, haben wir die Möglichkeit, uns zu so vielen Regelungspunkten zu äussern. So konnten wir am gleichen Tag unter anderem auch abstimmen, ob der nötige Ausbau des Bahnhofs Stadelhofen durch den Kanton vorfinanziert werden soll, uns zu den Goldreserven der Nationalbank äussern, zu Vorschlägen zu einer weiteren Einschränkung der Einwanderung samt Nebenfolgen, ja sogar über die Grösse der Schulklassen abstimmen. Das ist doch super. Wo gibt es das sonst? Es lebe unsere Demokratie!


Ruth Huber,
18.12.2014, 113. Jahrgang, Nr. 196.

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