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«Wandzeitung» vom 16.3.2017:

So funktioniert die Konsensdemokratie meiner Meinung nach nicht:

Powerplay oder Konsens?

Spannende Wochen liegen in Bundesbern hinter uns. Wenn das Parlament die «Altersvorsorge 2020» diskutiert, muss ich über die Eulachstadt hinaus nach Bern blicken. Denn sie betrifft mich ganz besonders – als junge Frau, die sich für sich selber, aber auch für Ihre Kinder noch eine gesicherte AHV erhofft. Nach Jahren des Denkens, des Zerrens und Argumentierens, nach zahlreichen erfolglosen Vorlagen, wurde sie 1948 endlich geschaffen: die AHV. Der damalige Bundesrat Walther Stampfli – ein Freisinniger notabene – hat nach 22 Jahren der Diskussion ein mehrheitsfähiges Gesetz vorgelegt und umgesetzt. Reformen waren nicht einfacher. Bisher wurde die erste Säule verschiedentlich angepasst, seit 1997 konnte man sich aber nicht mehr auf eine umfassendere Revision einigen. Seither ist viel passiert, unsere Gesellschaft steht vor neuen Herausforderungen. Demographische Entwicklungen bringen das Haus der Altersvorsorge vermehrt zum Wackeln. Deshalb wagte der Bundesrat einen neuen Anlauf und legte 2014 die «Altersvorsorge 2020 (Revision)» auf – und das Parlament ringt nun wieder um Mehrheiten. Wieder sehen wir, wie schwierig dieses Ringen ist. Das Ringen um einen Konsens, auf dem unser System der halbdirekten Konsensdemokratie doch basiert. Wegen dem AHV-Zuschlag zur Kompensation des tieferen BVG-Umwandlungssatzes droht die Vorlage zu scheitern. Wegen 70 Franken pro Neurentner und Monat – oder wegen 1,4 Milliarden jährlich. Der Ständerat, in dem CVP und SP die Mehrheit haben, und der bürgerlich dominierte Nationalrat können sich nicht einigen.

Es geht aber nicht um die genannten Beträge. Viel entscheidender sind die Ideologien dahinter, von denen man eben nicht abrücken kann. Und es sind die Mehrheitsverhältnisse, welche die aktuelle Debatte möglicherweise in die Sackgasse führen. Der Ständerat weiss, dass CVP und SP auch in der Einigungskonferenz eine knappe Mehrheit haben. Weshalb also von der eigenen Position abrücken? Die eigens vorgeschlagene «Kompromisslösung» wird in der Einigungskonferenz durchkommen. Und dann werden einige Nationalräte – möglicherweise die Bauern – ihre Meinung schon ändern und dem AHV-Zuschlag zustimmen. Schliesslich sehen alle die Notwendigkeit zu einer Sanierung der Altersvorsorge.

So funktioniert die Konsensdemokratie meiner Meinung nach nicht. Sie sieht kein Powerplay einer Kammer vor. In einer Differenzbereinigung sollen in zentralen Fragen wie jener der Kompensation des Umwandlungssatzes Kompromisse erarbeitet werden. Gemäss Wikipedia meint ein Kompromiss «die Lösung eines Konfliktes durch gegenseitige freiwillige Übereinkunft, unter beiderseitigem Verzicht auf Teile der jeweils gestellten Forderungen.»

Just am Tag, an dem diese Kolumne erscheint, treffen sich die Kommissionen von National- und Ständerat zur Einigungskonferenz und erarbeiten eine ebensolche Lösung – bis dahin wird sich vermutlich nicht viel bewegen. Ich hoffe sehr, dass sie sich einigen können auf einen Vorschlag, der in der Schlussabstimmung von beiden Kammern getragen wird. Denn eine Reform der Altersvorsorge ist im Sinne eines fairen Generationenvertrags dringend nötig – dieser Einigkeit schliesse auch ich mich an.


Carola Etter-Gick,
16.3.2017, 116. Jahrgang, Nr. 75.

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