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«Wandzeitung» vom 17.1.2017:

Der Herr gibts den Seinen im Schlaf. PSALM 127,2:

Gähn. Schnarch. Säg.

Im Sinne heutzutage geforderter Transparenz sollen die Allgemeinen Lesebedingungen (ALB) nicht kleingedruckt auf der Rückseite der Wandzeitung unsichtbar veröffentlicht, sondern deutlich sichtbar vorangestellt werden. Die zitierte Formulierung von Psalm 127 entspricht der Übersetzung der Zürcher Bibel, während der gigantomanische Weimarer Reformator und Vielfrass in Personalunion, nach dem im deutschsprachigen Europa das Jahr 2017 benannt ist, die Einschränkung macht, dass der Herr es nur seinen Freunden im Schlaf gibt.

Ich will das Thema, wer nun bei wem in freundschaftlicher oder anderer Eigenschaft schläft, nicht weiter vertiefen. Und ich lehne jede Haftung für die Korrektheit der Wiedergabe ab. Wer vorliegende ALB der Wandzeitung nicht als Bestandteil der Lesevereinbarung akzeptieren will, muss hier mit der Lektüre aufhören und soll seinen Blick meinetwegen auf das Schaufenster der Migros nebenan lenken.

Nach den ALB kommen wir nun aber flugs und stracks zum Thema. Nicht nur angesichts der einlullenden Kälte dieser Tage, sondern überhaupt komme ich nicht umhin, heute ein flammendes Plädoyer für einen kollektiven Winterschlaf zu halten. Nicht nur die wenigen Tiere, welche ihren Stoffwechsel auf das ethische Überlebensminimum reduzieren, sollen in den Genuss des Winterschlafs kommen, sondern die ganze, kleine, bald grössere Stadt, die wir alle gut kennen. Und mit ihr das kleine Internetz.

Mit kollektiv meine ich nicht einen gemeinsamen Schlafsaal, in welchem die ganze kleine, beinahe grössere Stadt dem Frühling entgegenschnarcht, sondern das zeitgleiche Winterschlafen, das uns alle daran hindert, die neuesten Alarme der abonnierten und andern Gratisblätter, den drögen Wahlkampf der nach eigener Darstellung Fähigsten der Kommune für die Regierung und andere das zufriedene Dasein trübende Neuigkeiten wahrzunehmen.

Je konsequenter der Winterschlaf, desto eher ist nicht nur garantiert, dass niemand etwas wahrnimmt, sondern sogar, dass niemand die Alarmglocken läutet, mithin aufschreckende oder andere Texte überhaupt herstellt. Die Welt, das kleine Internetz oder zumindest die kleine Stadt versinkt in friedlich winterlicher Starre. Postillen und Wahlunterlagen werden weder gedruckt noch verteilt und schon gar nicht gelesen, Friede auf Erden und uns allen ein Wohlgefallen.

Wie der Begriff Winterschlaf besagt, ist der seligmachende Zustand auf eine Jahreszeit begrenzt. Und diese endet bekanntlich im März. Auch wenn wir noch auf eine gewisse Nachwirkung in Form der Frühlingsmüdigkeit hoffen dürfen, ist spätestens im Juni Schluss. Dann wird uns das übliche Getriebe wieder auf Trab halten, es sei denn, es gelinge uns, unser Sensorium anders als durch den Schlaf der Gerechten zu sedieren.

Immerhin ist der 2. Wahlgang, in welchem eine Nachfolge für den Stadtrat bestimmt sein wird, bis dahin vorbei. Und auch der Amtsantritt ist verschlafen, die kleine, beinahe grössere Stadt hat die kleinste Regierung aller Grossstädte. Und vielleicht dadurch nicht die schlechteste. Gute Nacht.

 


Adrian Ramsauer,
17.1.2017, 116. Jahrgang, Nr. 17.

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