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«Wandzeitung» vom 29.1.2017:

Zur Frage, ob der Zweck die Mittel heiligt:

Folter – eine taugliche Methode?

Kürzlich erschien im «Tagesanzeiger» ein Interview mit dem Amerikaner Eric Fair über sein Buch «Consequence». Darin verarbeitet der Autor seine Erfahrungen in Abu Ghraib, wo er selber Insassen gefoltert hatte. Bei der Lektüre bin ich bei einer Feststellung des Interviewers hängen geblieben, wonach einer aktuellen Studie des Roten Kreuzes zufolge fast die Hälfte aller befragten Amerikaner Folter als Mittel gegen feindliche Kämpfer befürwortet. Dass Folter auf der Welt weit verbreitet ist, wissen wir. Wir werden in den Medien beinahe täglich damit konfrontiert. Und dass Präsident Trump öffentlich Folter als probates Mittel im Kampf gegen den Terrorismus bezeichnet, hat neben seinen anderen pointierten Äusserungen wohl niemanden überrascht. Warum also meine Betroffenheit?

Es ist die Ungeheuerlichkeit der Akzeptanz der Folter durch grosse Teile der Bevölkerung. Die Europäische Menschenrechtskonvention hält in Art. 3 (Verbot der Folter) klar und eindeutig fest: «Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.» Das Verbot der Folter ist eine der elementaren Bestimmungen zum Schutz der Rechte und der Würde jedes Menschen. Es wurde nicht zuletzt nach den Erfahrungen des unermesslichen Leids erlassen, das den Menschen von totalitären Herrschaftssystemen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zugefügt wurde. Dass die Folter nun auch in demokratischen Ländern zunehmend salonfähig wird, macht ihr Verbot umso dringlicher. Was sind die Beweggründe für die Akzeptanz der Folter?

Es ist wohl die Hoffnung, den Gegner wirksamer bekämpfen und damit noch grösseres Leid verhindern zu können. Das mag vielen in Anbetracht von Krieg und Terrorismus als notwendiges, aber unverzichtbares Übel erscheinen. Diese Auffassung läuft allerdings Gefahr, vor kurzfristigen Erfolgen die negativen langfristigen Auswirkungen auf die Grundlagen unserer Gesellschaft aus dem Blick zu verlieren. Wir werden je länger je mehr Teil von Systemen, die für ihr Funktionieren die Möglichkeiten des Einzelnen immer mehr einschränken. Sie stellen mit dem Hinweis auf Effektivität und Effizienz nicht selten den Gesamtnutzen vor die Bedürfnisse des einzelnen Menschen, verbunden mit Begriffen wie «Solidarität» und dem «Wohl der Mehrheit».

Diese systemische Realität steht in einem latenten Spannungsverhältnis zu den Werten unserer abendländischen Kultur, die wesentlich auf der Einzigartigkeit jedes Einzelnen und seiner persönlichen Verantwortung für sein eigenes Leben baut. Zwar diskutieren wir – zu Recht – über die Würde im Alter, beschäftigen uns mit Fragen des Datenschutzes und sorgen uns um die Folgen der Digitalisierung. Das ist alles notwendig. Diese Bemühungen fussen aber zwangsläufig auf ethischen Grundlagen. Und die finden sich etwa in der EMRK, in der christlichen und in anderen theologischen Ethiken. Aber auch im Gedanken des demokratischen Rechtsstaats, der das anzuwendende Recht nach demokratischen Regeln bestimmt und seine Durchsetzung sicherstellt.

Das Folterverbot ist eine dieser grundlegenden Bestimmungen zum Schutz von uns allen. Es darf nicht aufgrund aktueller Bedrohungen leichtfertig geopfert werden.


Marcel Riesen-Kupper,
29.1.2017, 116. Jahrgang, Nr. 29.

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