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«Wandzeitung» vom 29.5.2017:

Zur Jugendkriminalität:

Gender-Gap im Jugendstrafrecht?

Jungen prügeln sich und Mädchen mobben – so ein gängiges Stereotyp. Doch stimmt dieses Klischee mit der Realität überein? Unterscheiden sich Mädchen und Jungen tatsächlich in ihrem deliktischen Verhalten? Ein erster Blick in die Statistik zur Jugendkriminalität im Kanton Zürich zeigt: Mädchen sind deutlich braver und werden seltener straffällig als Jungen. So betrug ihr Anteil an den Verurteilungen im letzten Jahr gerade einmal 25 Prozent. Zwar delinquieren Mädchen häufiger als noch in den 90er Jahren, wo ihr Anteil bei etwa 15 Prozent lag, doch noch immer fallen sie deutlich seltener durch straffälliges Verhalten auf. Vergleicht man die Zahlen mit den diversen Statistiken sowie einzelnen Studien aus Deutschland und der Schweiz, scheint sich der Befund zu bestätigen. Die behördlich erfasste weibliche Kriminalität ist statistisch geringfügiger und im Hinblick auf die Deliktstruktur vergleichsweise geringer als die männliche.

Verfügen Mädchen somit über weniger kriminelle Energien als Jungen? – Nicht unbedingt. Eine Dunkelfeldstudie aus Deutschland bei rund 1500 Mädchen und Jungen im Alter von 11 und 15 Jahren zeigt, dass lediglich 15 Prozent der 15-jährigen Mädchen und 9 Prozent der Jungen kein deviantes Verhalten aufweisen. Auffällig ist, dass sich Mädchen grundsätzlich deutlich einsichtiger zeigen: 23 zu 7 Prozent. Bei der Frage nach den Gründen für das Beenden von delinquentem Verhalten gaben 67 Prozent der Mädchen, aber nur 35 Prozent der Jungen an, sich die Zukunft nicht verbauen zu wollen; 37 Prozent der Mädchen, aber lediglich 17 Prozent der Jungen führten moralische Bedenken auf. Delinquenz ist somit nicht per se ein männliches Phänomen, ihre Ausprägung hingegen oftmals geschlechterspezifisch. So zeigen Jungen, nicht überraschend, vermehrt offene Aggressionen, Mädchen manipulative, indirekt aggressive Verhaltensweisen, wozu auch Selbstverletzungen gehören. Schwere Gewaltdelikte werden in der Regel durch Jungen begangen; bei den Ehrverletzungen wie Verleumdung, üble Nachrede und Beschimpfung beträgt der Anteil der Mädchen am Total dieser Delikte 52% im Jahre 2015 und 40 % im vergangenen Jahr.

Typische Mädchendelikte sind geringfügige Diebstähle, Deliktsbetrag unter Fr. 300, wo der Anteil der Mädchen bei ca. 40% der begangenen Delikte liegt. Bei den grösseren Diebstählen liegt der Anteil wieder in der normalen Relation von etwa 25 %. Bei den Übertretungen, welche nach Strafgesetzbuch bei den Erwachsenen lediglich mit Busse bestraft werden, entfielen 50% der durch die Mädchen in diesem Bereich begangenen Delikte auf Widerhandlungen gegen das Personenbeförderungsgesetz (Schwarzfahren).

Mädchen haben sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen dem Verhalten der Jungen angepasst. Vielleicht auch deshalb, weil sie im gesellschaftlichen Leben zunehmend gleichberechtigter und selbstbewusster auftreten. Trotzdem werden sie glücklicherweise noch immer seltener straffällig. So könnte man sagen: Rein zahlenmässig sind die Mädchen den Jungen im Deliktverhalten etwas nähergekommen. Die schwere Jugendkriminalität ist aber immer noch Sache der Jungen. Ganz alles werden die Mädchen den Jungen aber hoffentlich nicht nachmachen!


Marcel Riesen-Kupper,
29.5.2017, 116. Jahrgang, Nr. 149.

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