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«Wandzeitung» vom 13.3.2017:

Weltpolitik oder Winterthur:

Deadline Aktualität.

Mein erster Beitrag für die «Wandzeitung». Ich dachte, ich werde grosse Themen der Philosophie, grundlegende Debatten der Weltpolitik oder auch bedeutende Ereignisse für Winterthur aufgreifen und behandeln können. Der Alltag machte mir jäh einen Strich durch die Rechnung, konkreter wurde ich von der Deadline überrascht, wegen technischem Versagen und der unglücklichen Verkettung von Zufall und Notwendigkeit; so bleiben mir für den vorliegenden Text lediglich zwei Stunden Zeit. Ich bin mir Deadlines nicht gewöhnt, vielleicht noch von Aufsätzen in der Schule, selbstverständlich bei Projekten für Kunden, doch nicht beim Schreiben. Wenn ich Inhalte aufbereiten und publizieren will, mache ich dies mittels Youtube, Facebook oder anderen sogenannten «Sozialen Medien». Hier sind alle Nutzer potenzielle Kleinverleger, Chefredakteure wie auch Marketingchefs und Konsumenten, die Vollendung der, in Deutschland bereits 2002 zum Unwort des Jahres gekürten, Ich-AG. Diese Form der Publikation kennt keine klassischen Deadlines. Dazu doch ein kurzer Exkurs ins nahe Ausland, Tilo Jung, welcher ausschliesslich Online, bevorzugt via Youtube, seinen Content publiziert nimmt gleichzeitig mit den Zeitungs- und Fernsehjournalisten an der Bundespressekonferenz in Berlin teil. Nun sei er schon öfters von seinen Kollegen darauf aufmerksam gemacht worden, er solle nicht so viele, subjektiv «nervende», Fragen stellen, er halte die Kollegen damit von der Arbeit und so von ihrer Deadline ab. Schulterzuckend fügte er sinngemäss an: «Was kann ich dafür, wenn ihr bei einem Medium arbeitet, welches noch Deadlines kennt?» – Die Sinnhaftigkeit von Deadlines, gerade bei Zeitungen, Fernseh- sowie Radiostationen, möchte ich nicht ernsthaft in Frage stellen. Nur verbreiten sich «News», also Ereignisse, Vorkommnisse, Positives bis hin zu verstörenden Taten, jenseits von Deadlines, unmittelbar und immer mehr auch live und ungefiltert über andere Kanäle. Das Wegbrechen der klassischen Deadlines führt also nicht zu mehr Zeit, welche in ein Thema oder einen Beitrag investiert werden könnte und so für die nötige Differenzierung, unter Berücksichtigung sämtlicher erdenklicher Quellen, sorgte. Die Deadline im vernetzten Zeitalter heisst: Aktualität. Neben allen offenkundigen und wie ich finde überwiegenden Vorteilen, denke ich doch, fernab jedweder Religiosität, an den alttestamentarischen Ausspruch: «Alles hat seine Stunde.» (Kohelet 3,1) oder «Omnia tempus habent.» – seine Zeit, alles hat seine Zeit. Ob der Handylivestream via Facebook, der Hintergrundartikel einer Tageszeitung oder Jahrtausende alte Schriften. So lob ich mir die Deadlines von Tageszeitungen, welche in einer Welt, die live kommuniziert, für mehr und nicht für weniger Reflexion sorgen. Der Druck eine Deadline einzuhalten, dürfte jetzt schon, aber sicher in naher Zukunft, dem Druck weichen, sie abzuwarten. – Eine Stunde noch bis zu meiner Deadline, ich schicke den Text ab und vertröste auf die nächste Deadline, für einen reflektierten, differenzierten Beitrag zur Philosophie, Weltpolitik oder Winterthur.

 


Roman Kurtz,
13.3.2017, 116. Jahrgang, Nr. 72.

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