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«Wandzeitung» vom 17.5.2017:

«Liberté, égalité et fraternité»:

En marche!

Ja ich habe Emanuelle Macron gewählt, gar nicht mit Begeisterung, aber mit voller Überzeugung. Eine Begeisterung wäre angesichts des Zustandes der französischen Politik ein völlig vermessen. Macron verkörpert, dass sich am verkrusteten „Säu-Teckeli-Häfeli-System“ etwas ändern muss. Er will auf den Stärken von „liberté, égalité et fraternité“ aufgebauen, auch wenn seine Louvre Rede sehr flach war: Viele Worthülsen, viel Nationalstolz bemüht und leider kein Wort, dass die Bevölkerung in die Mitverantwortung für die notwendigen Schritte genommen werden muss. Das wird der Knackpunkt sein.

Frankreich hat z.B. ein Rentensystem, das je nach Berufsgattung 37 unterschiedliche Systeme kennt wie bspw. Pensionsalter 50 für Verwaltungsangestellte oder 67 für ZahnärztInnen. Die Rente bemisst sich am Einkommen der letzten 2 Jahre – ist klar, wann der grosse Einkommenssprung kommt. Das ist nicht erklärbar, geschweige denn finanzierbar. Doch wird die Allgemeinheit mitziehen oder Macron einfach der nächste Präsident, der von Anfang an keine 30% Unterstützung hat.

33% oder 11 Mio. Stimmen für eine in allen Belangen katastrophale Le Pen zeigen, wie gross der Unmut ist: Junge ohne berufliche Perspektiven, Altersarmut und all die chancenlosen „unerwünschten“ Franzosen aus den Ex-Kolonien sind ein hochgefährliches Pulverfass. Macrons will diese Leute wieder aus den Fängen der Populisten befreien. Schimpfen und Abschieben nützt nichts, es braucht Willen – und vor allen eine Bevölkerung die selber mitziehen will. Mit Macron muss man sich in Frankreich von der Vorstellung verabschieden, dass es „le président“ oder „l’état“ mit ihrem Glanz schon richten werden.

Meine Überzeugung für Macron war, dass mit ihm wohl eine 6-ième Republique angegangen werden muss. Er wird sich nicht auf eine parlamentarische Mehrheit stützen können und wohl ein Mehrparteiensystem etablieren müssen. Fertig mit einseitig linker oder rechter Günstlingswirtschaft – nur gemeinsam und miteinander für Ziele. Also en marche für ein von Grund auf neues politisches System – auch wenn es um Verzicht und Abschied von liebgewordenen Annehmlichkeiten geht.

Meine Überzeugung für Macron liegt auch in seiner Betonung der europäischen Idee. Wir wissen bei allem Stänkern wohl nicht mehr, was wir davon haben. Macrons Lösung im klar gescheiterten Neoliberalismus ist falsch, doch es besteht die Hoffnung, dass hier mit Martin Schulz korrigiert werden kann. Endlich die neue Bahn der europäischen Idee – eine Bahn, die eben allen und nicht nur den Privilegierten nützt. Das grosse Friedensprojekt ist innerstaatlich. Mit der wieder von Grund auf aufgenommenen Losung „liberté, égalité et fraternité“, dem Weg des Miteinanders, bei dem alle zu einem Beitrag gefordert sind, bei dem aber auch alle einen Platz und eine Chance erhalten können.


Christoph Baumann,
17.5.2017, 116. Jahrgang, Nr. 137.

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