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«Wandzeitung» vom 11.12.2017:

Ein Davidstern zu Weihnachten:

In die eigene Kraft und Macht kommen.

Gerade lese ich das Buch "Digitale Erschöpfung. Wie wir die Kontrolle über unser Leben wieder gewinnen" von Markus Albers. Der Autor ist kein Nostalgiker. Im Gegenteil, er ist einer, der das digitale Zeitalter hochstilisierte. Er ist sich auch bewusst, dass wir nicht mehr hinter die moderne Vernetzung zurücktreten können. Und doch stellt er genauso wie ich die Frage, wo denn die prognostizierte Freiheit im Berufs- und Privatleben bleibt.

Immer mehr Menschen sind gestresst. Sie dürfen zu Hause arbeiten, im Swimming-Pool oder beim Kaffee in der Küche. Die Unternehmen tüfteln elektronische Begegnungsfenster aus, um die Nachrichtenflut zu minimieren. Alle arbeiten irgendwie zu unterschiedlichen Tag- und Nachtzeiten an denselben Projekten. Das Gegenteil der Freiheit trifft ein. Denn immer macht es "Kling", wenn wieder ein Projektmanager auf einem der zwanzig Projekte eine Änderung eingefügt hat. "Kling" macht derart nervös, dass die Freizeit mit den Kindern statt auf dem Spielplatz mit dem Smartphone verbracht wird. Und was ganz schlimm endet: Unseren Managern fehlt die Konzentration. Wer nämlich über mehrere Stunden nicht erreichbar ist, wird unglaubwürdig. Ja, er verpasst die Freigabe von Beschlüssen! Es gibt keine Büros mehr, nur irgendwelche Arbeitsplätze im Grossraumbüro und Meetings! "Kling."

Die Agenda ist nicht mehr von morgens 9 Uhr bis abends 17 Uhr gefüllt, sondern rund um die Uhr gefüllt. Wer erwartet, dass er um 23 Uhr nicht mehr beklingelt wird, spürt spätestens nach wenigen Wochen, wie er zunehmend an Schlaflosigkeit leidet, aus purer Angst, am Morgen zu erwachen und etwas Wichtiges verpasst zu haben. "Kollaboration" heisst das modern-digitale Wort, das eigentlich Zusammenarbeit bedeutet. Kollaborieren und kollabieren scheinen nah verwandt zu sein. Sich nicht mehr konzentrieren können heisst, sich selbst und die Wirtschaft ins Abseits führen.

Immer mehr Menschen leiden an Burnout. Sie nehmen zu einem hohen Prozentsatz Schlaftabletten ein, insbesondere in den führenden Etagen. Aber auch die Menschen mit Karriere sind davon betroffen. Auf der Strecke bleibt ihre Gesundheit und diejenige einer ganzen Volkswirtschaft. Statt Strategien werden Krisen beschlossen, weil die Entscheider die Zeit nicht fanden, ehrlich nachzudenken. Neues wird schon gar nicht mehr erfunden, weil die Zeit dafür fehlt. Multitasking hat längst ausgespielt! Doch immer wieder sind wir versucht, alles gleichzeitig zu machen. Morgens aufzustehen, Blick auf das Smartphone. Duschen. Kinder wecken. Blick auf das Smartphone. Frühstücken. Ungeduld. Kind in die Kita bringen. Wer liest am Morgen am Bahnhof die Tageszeitung? Viel zu lang! "Kling." Natürlich das nächste Meeting. Worum geht es überhaupt? Bin ich überhaupt aufgestanden?

Es gibt eine innere Logik. Sie ist in Sechsecken zu finden. In Bienenwaben und in Schneekristallen. Zwei Dreiecke halten sie zusammen, genau wie der Davidstern. Franz Rosenzweig schrieb im 1. Weltkrieg den "Stern der Erlösung" im Schützengraben. Ich mache mir Gedanken, wie Burnout und Prinzipien, Kommunikation und Mobbing zusammengehören, um über Zeit und Geist zu entscheiden.


Heiner Dübi,
11.12.2017, 116. Jahrgang, Nr. 345.

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