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«Wandzeitung» vom 12.1.2018:

Zwischen den Welten in Thailand:

Wenn man kaum ein Wort versteht.

Seit ein paar Tagen bin ich in Thailand. Eines der wenigen Wörter, die ich auf Thai verstehe, ist «farang» und bedeutet so viel wie Ausländer. Es ist ein seltsames Gefühl, mir keinen Reim aus dem Gehörten machen zu können. Im Film «Lost in translation», der in Japan spielt, bekam ich das erste Mal mit, wie man sich als Tourist in Asien fühlen kann. Ich fühle mich wie in einer Blase. Der deutsche Filmtitel «Zwischen den Welten» trifft das, was ich hier empfinde, wohl eher.

Es macht mich irgendwie nervös, wenig mitzubekommen. Befindet man sich in einem Viertel, wo farang verkehren, erscheinen die Speisen auf der Menükarte auch in Englisch. Halte ich mich abseits der Touristenströme auf, wird es abenteuerlicher. Alles wird dann nur in der Landessprache angegeben. Isst man als Ausländer genauso scharf wie die Thais, genügt eine Portion Experimentierfreudigkeit und man überlebt gut, ohne sich gross Gedanken über das Wie zu machen. Kann man aber das scharfe Essen der Thais nicht geniessen, macht man wohl früher oder später einen Bogen um die Gassenküchen. Ausser, des Englisch mächtige Einheimische helfen einem gefragt oder ungefragt und nehmen die Speisen für einen auf. Ich bin dann zwar dankbar, aber meine Abhängigkeit und Ignoranz frustrieren mich.

Normalerweise vertraue ich meiner Intuition. Wenn ich die Sprache meines Gegenübers verstehe, höre ich auf Zwischentöne und achte auch auf das Ungesagte. Hier komme ich nur weiter, wenn ich versuche, meine anderen Sinne zu schärfen. Ich gehe davon aus, dass ich dann eine Situation eher einschätzen und entsprechend reagieren kann. Ich muss besser beobachten und dazu eine gehörige Portion Geduld aufbringen. Spricht mein Gegenüber kein oder nur wenig Englisch, muss er/sie sich ebenso anstrengen wie ich und guten Willens sein, damit eine Kommunikation zwischen uns zustande kommen kann.

Nach etwa drei Tagen begann ich, es als arrogant zu empfinden, dem Taxifahrer ein Hello, Thank you und Goodbye entgegenzuwerfen. Ich realisierte, dass alles dafür sprach, als Anfang die Wörter auf Thai für Guten Tag, Danke und Auf Wiedersehen zu lernen. Ich brauchte Überwindung, meine Komfortzone zu verlassen und mich einzulassen auf die ungewohnten Laute. Eselsbrücken kann ich mir hier nur wenige bilden. Die Thais belohnen meine Bemühungen mit einem Lächeln und manchmal auch mit einem Lachen. Und schon ist ein menschlicher Kontakt hergestellt! Mittlerweile ist mein Ehrgeiz erwacht, mehr Wörter und Floskeln zu lernen.

Für mein seelisches Wohlbefinden war es definitiv von Vorteil, meine Komfortzone verlassen zu haben. Für eine Unterhaltung ist Englisch natürlich unabdingbar. Leider gehört Englisch nicht zu meinen Herzenssprachen, ich rede es nicht sonderlich gerne. Die einzige Motivation ist, dass Englisch sowohl für mich als für eine/n Thai eine Fremdsprache ist. Eine ungeliebte Sprache als Mittel zum Zweck, als Hilfsmittel, als Tor oder Brücke zu einer neuen Welt und paradoxerweise im allerbesten Fall zu einem anderen Herzen.


Rosmarie Schoop,
12.1.2018, 117. Jahrgang, Nr. 12.

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