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«Wandzeitung» vom 8.7.2014:

Winterthur 2030:

Sparwut - eine Groteske. (Teil 2)

Sie erinnern sich: Winterthur beschäftigt im Jahr 2030 gerade noch drei nebenamtliche Stadträtinnen und Stadträte, hat einen rekordtiefen Steuerfuss und ein Parlament, welches das Sparen sozusagen zur einzigen raison d’être erkoren hat.

Meine Gedankenspiele fand ein emsiger Blogger gar nicht so grotesk; für ihn sind sie vielmehr «ein politisches Zukunftsmärchen». Wie auch immer: Spinnen wir die Geschichte weiter. Die je nach Betrachtungsweise groteske oder märchenhafte Sparwut hat jedenfalls dazu geführt, dass die Stadtverwaltung in einem Ausmass verschlankt worden ist, dass sie im Superblock gerade noch ein einziges Stockwerk beansprucht. Fast alle Dienstleistungen werden heute privat erbracht, nachdem jeder Versuch des Stadtrates, mit einer Steuererhöhung zu Mehreinnahmen zu kommen, vom Grossen Gemeinderates abgeschmettert worden war. Die Stadtgärtnerei machte den Auftakt, es folgten die Forstbetriebe, die Schule, die Schwimmbäder, die Eishalle, die Sportplätze, die technischen Betriebe, die Alterszentren, die Spitex, die Suchthilfe, das Asylwesen.

Die Villa Flora wurde trotz aller Versprechungen nicht wiedereröffnet und vor einigen Jahren stellte auch das Museum Reinhart am Stadtgarten seinen Ausstellungsbetrieb ein. Deren Kurator hatte sich das Grab sozusagen selbst geschaufelt, indem er anno 2014 an einer Podiumsdiskussion selbstbewusst verkündete, dass ein Abbau und eine Konzentration von Kulturinstitutionen für ihn überhaupt kein Problem, ja sogar wünschbar sei. Die Kunstschätze «seines» Hauses sind nun in den Kulturgüterschutzunterkünften der Stadt eingelagert.

Der Holidi liegt morsch und von Holzwürmern zerfressen immer noch am Graben, nachdem der Auftrag für das Nachfolgeprojekt aus finanziellen Gründen gestoppt worden war. Die Stadt wartet jetzt ab, bis der Holzmann zu einem Sägemehl-Haufen zerbröselt ist, so dass er dann ohne grossen Aufwand weggewischt werden kann. Das einst stolze Stadtorchester ist zu einem Streichquartett geschrumpft, weil das Parlament beschlossen hatte, die Subventionen an das Orchester zu streichen. Diese und andere gute Sparideen hatte übrigens der «Landbote» geliefert und die Sparpolitikerinnen und Sparpolitiker nahmen den Ball nur zu gerne auf.

Das Theater Winterthur ist in der Zwischenzeit eine Bauruine, die ab und an für Zivilschutz-Übungen benutzt wird. Nach der Privatisierung gab es drei Besitzerwechsel; alle drei Betreiber zögerten aus Renditegründen die Sanierungsauflagen der Stadt hinaus und als schliesslich auch noch die städtischen Beiträge weggespart wurden, fand sich kein Interessent mehr für das marode Haus. Die Winterthurerinnen und Winterthurer nutzen unterdessen das Theaterangebot von Hettlingen und Seuzach, wo in den modernen Mehrzweckanlagen einmal im Monat eine günstig eingekaufte Tournee-Theaterproduktion gezeigt wird.

Zum Schluss noch dies: Weil offensichtlich niemand versteht, was eine Groteske ist, verzichte ich entgegen meiner ursprünglichen Absicht auf Teil 3. Ich kann die Gemütswallungen, die meine schwarzmalerischen Gedanken ausgelöst haben, nicht länger verantworten.

 

 

 


Kathrin Bänziger,
8.7.2014, 113. Jahrgang, Nr. 33.

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Standpunkte:

12.7.2014, 16:29 Uhr.

Irène Privé-Rickli aus Solothurn schrieb:

Schade, dass es keinen Teil 3 gibt - ich kann von Kathrins grotesken Gedanken nicht genug kriegen, insbesondere sie journalistisch genial umgesetzt sind!


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