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«Wandzeitung» vom 8.8.2014:

Winterthur 2030:

Die Sparwut geht weiter...

Sie erinnern sich: Eigentlich wollte ich meine Sparwut-Groteske aus Rücksicht auf die Gemütsbewegungen, die sie auslöste, nicht fortsetzen. Offensichtlich gibt es aber Menschen, die meine düster-absurden Zukunftsvisionen gerne noch ein bisschen weiter ausgeführt haben möchten, im Sinne einer wirkungsvollen Prophylaxe, sprich einer Warnung an die Adresse der blindwütigen Sparpolitikerinnen und Sparpolitiker. So mache ich weiter im Text und bitte zartbesaitete Gemüter diese Kolumne einfach nicht zu beachten. Und zur allgemeinen Beruhigung noch dies: Sooo schlimm wird es wohl nicht kommen, denn – um es nochmals zu betonen; es handelt sich hier um eine Groteske!

Wir schreiben das Jahr 2030. Winterthur ist so schlank geworden, dass man die Stadt kaum mehr wahrnimmt, wäre da nicht ... aber davon später. Zum Verwaltungsetat gehören nur noch ein paar wenige unrentable Teilbereiche. Die Stadtratssitzungen sind zu Verwaltungsratssitzungen mutiert, in der private Unternehmensvertreter die Mehrheit haben. Und mit dem Verkauf des Stadthauses an einen chinesischen Investor, der den repräsentativen Semper-Bau für pompöse Firmenempfänge nutzt, setzte der Stadtrat ein starkes symbolischträchtiges Zeichen für das Primat der Wirtschaft in der Stadt.

Trotz einer massiven Reduktion des Polizeikorps ist die Stadt sicher. Private Sicherheitsdienste und unbemannte Drohnen bewachen Leib, Leben, Hab und Gut zu Boden und aus der Luft. Und frei tanzt sich schon lange niemand mehr: zu gefährlich! Nach der Sport- und Verkehrskommission sowie der IG Velo wurden auch die Kunstkommission, die Stadtbildkommission und die Denkmalpflege abgeschafft. Die Kunstkommission wurde überflüssig, weil unterdessen eh keine Kunst mehr angekauft wird. Als neue Hofkünstler der Stadt haben sich Chris + Pierre Labüsch etabliert, die ihre Eisenwerke mit Sponsoring-Geldern finanzieren und von der Stadt lediglich noch eine Bewilligung für die Platzierung ihrer Werke auf öffentlichem Grund benötigen. Die Stadtbildkommission und die Denkmalpflege mussten dran glauben, weil sie wegen fortgesetzten Personalabbaus längst nicht mehr in der Lage waren, ihre Aufgaben wahrzunehmen.

Einen kühnen Schritt nach vorn machte der Stadtrat mit der Einführung von Cannabis-Shops in allen Stadtteilen. Die Jagd nach Hasch-Raucherinnen und -Rauchern sowie das Ausheben respektive Ausrupfen von Pflanzen in Outdoor- und Indoor-Anlagen war mit dem Mini-Korps der Stadtpolizei schlicht nicht mehr zu bewältigen gewesen. So entschied man sich nach einem Stadtratsreisli nach Colorado, den Haschischkonsum zu legalisieren und städtische Verkaufsshops einzurichten. Die Stadt pflanzt ausserdem auf ausgewählten Feldern der städtischen Landwirtschaftsbetriebe selbst Cannabis an – nach streng biologischen Kriterien. Gedüngt werden die Felder unter anderem mit dem Kot der Mausohr-Fledermäuse, die in grosser Anzahl im Dachgebälk des Schulhauses Heiligberg leben. Der Cannabisanbau und -verkauf hat sich zu einem guten Geschäft für die Stadt entwickelt, kassiert sie doch dafür Lizenzgebühren und Steuern. Und: Man spricht wieder von Winterthur.


Kathrin Bänziger,
8.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 64.

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Standpunkte:

9.8.2014, 14:52 Uhr.

Peter Schöchlin schrieb:

Kathrin, Du triffst wahrscheinlich ins Schwarze mit Deiner Groteske. Was mich wunder nimmt: Welche Rolle spielt dann der biedere, obrigkeitshörige «Landbote»?


9.8.2014, 09:13 Uhr.

Walter Büchi schrieb:

Es handelt sich offenbar nur um eine Groteske, aber ich bin mir gar nicht mehr so sicher, ob wir nicht bereits an der Umsetzung zur Realität sind ...


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