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«Wandzeitung» vom 2.3.2018:

Die Kinder, sie kommen, Teil 2/3:

Ein Baby ohne Ankündigung.

Im Zuge meiner Recherche fiel auf, dass kaum Schriften neueren Datums zum Thema erschienen sind. Die Problematik der verheimlichten (auch ignorierten oder verleugneten) und auch der verdrängten (negierten, d.h. nicht wahrgenommenen) Schwangerschaft (SS) – teilweise bis zum Schluss – ist heute verbreiteter als gedacht. Neben einigen Berichten über wenige beschriebene Fälle (Kaplan & Grotowski, 1981; Slyton & Soloff, 1981; Finnegan et al., 1982; Milstein & Milstein, 1983) gibt’s nur wenige Studien mit grösseren Fallzahlen, z. B. Wessel & Rau, 1997, mit 28 Patientinnen. Wessel & Buscher berichten 2002 in Europa von einer Häufigkeit von ca. 1 : 2500 normalen Geburten, das ist etwa 3 x öfter als Drillingsgeburten vorkommen.

Leider haben die betroffenen Frauen immer noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Vorwürfe, sie hätten dem Kindsvater eins auswischen wollen, etc. Dabei ist der seelische Druck auf diesen Müttern extrem gross. Manchmal bemerken auch die Sexualpartner der Frauen nichts, selbst bis kurz vor der Geburt. Oft sind Familienmitglieder der Schwangeren beteiligt, als gäbe es einen Pakt, die Schwangerschaft nicht anzuerkennen. Freunde, Lehrer, Arbeitgeber, Ärzte können auch involviert sein. (Brozovsky & Falit, 1971)

Die Verleugnete SS; die Kindsmutter hat eine Ahnung, klärt den Umstand aber nicht auf. Sie verbirgt sie, versucht sie also geheim zu halten, kann den Umstand aber nicht verdrängen. Diese Form ist gefährlich, da es zur anschliessenden Kindstötung kommen kann. Tötungen unmittelbar nach der Geburt treten allerdings relativ selten auf. Sie können sich ereignen, wenn die von Panik erfasste Kindsmutter unter der Geburt in eine Phase der Desorganisation und Dissoziation (teilweise bis vollständige Auseinanderfallen normalerweise zusammenhängender Funktionen der Wahrnehmung, des Bewusstseins, des Gedächtnisses, der Identität und der Motorik) kommt.

Es scheint der körperliche Ausdruck ihrer unterdrückten Ängste zu sein. (Resnick, 1970; Broszovsky & Falit, 1971; Condon, 1986; Saunders; 1989; Green & Manohar, 1990). Mütter mit einer SS in dieser Form geben die Babys öfter zur Adoption frei und/oder legen sie in eine Babyklappe. Die nicht wahrgenommene SS; die Schwangere ist überzeugt, nicht in anderen Umständen zu sein, die Geburt ist die komplette Überraschung. Die Nichtwahrnehmung der SS im persönlichen Umfeld führt wiederum zu einer Bestätigung im Verdrängen von Anzeichen und Symptomen – in gleichem Masse, wie die Frauen ihre inneren Signale interpretieren, nehmen sie die Äusseren (nicht) wahr. (Spinelli, 2001) Psychoorganisch betrachtet seien es Störungen in der Wahrnehmung. Medizinisch gesehen wird das Vorkommen beider Varianten als „sexuelle oder reproduktive Dysfunktion“ interpretiert. Also die Funktion, sich fortzupflanzen ist beeinträchtigt.

Der Umgang mit der Konsequenz einer möglichen SS nach dem Geschlechtsakt will nicht akzeptiert werden. Diese Störungen sind in der Regel selten eine Begleiterkrankung von anderen psychiatrischen Krankheiten (z.B. Schizophrenie). Oft betrifft es auch Gesunde, die unter ungewöhnlich hohen Stressbedingungen leben müssen.


Momo Appenzeller,
2.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 61.

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