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«Wandzeitung» vom 8.9.2014:

Winterthur 2014:

«Guete Bonjour Züri!»

Heute ist an dieser Stelle darüber zu berichten, wie Winterthur in Zeiten grösster Not seine Geschicke in die Hand von Zürich legte und so vor der Last der Verantwortung kapitulierte.

Angefangen hatte es damit, dass ab 2012 die Finanzen aus dem Ruder liefen. Dafür verantwortlich gemacht wurden der neue Finanzausgleich und die frühere Regierung. Der gute Eindruck, den die neue Regierung damit machen wollte, wurde einzig durch die Tatsache getrübt, dass die alte Regierung mehrheitlich auch die neue Regierung ist. Wie auch immer: Die aktuelle Stadtregierung kam zum Schluss, dass die desolaten Stadtfinanzen nicht mehr in Eigenregie ins Lot zu bringen seien. Und da schon in grauer Vorzeit Zürich in Winterthur den Ton angegeben hatte, lag es auf der Hand, wiederum dort Hilfe zu suchen, wo offensichtlich Kompetenz und Know-how in viel höherem Mass vorhanden sind, als in der eigenen Stadt.

Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass sich dieser Entscheid historisch begründen lässt. Dazu ein kurzer Abriss: 1467 verpfändeten die Habsburger Winterthur an die Stadt Zürich für 10 000 Gulden. Während der nächsten 331 Jahren hatte Zürich als neue Obrigkeit das Sagen in Winterthur. Der Untertanenstatus endete erst mit dem Einmarsch der Franzosen im Jahr 1798. Winterthur nutzte die neue Freiheit, um sich wirtschaftlich und kulturell eigenständig zu entwickeln. Die lange Untertanenzeit blieb aber der Stachel im Fleisch der Winterthurer und als sich die Gelegenheit bot, den überheblichen Zürchern die Stirn zu bieten, zögerte man nicht und stürzte sich ins Abenteuer Nationalbahn. Alfred Eschers «Herrenbahn» mit einer «Volksbahn» zu konkurrenzieren und dabei Zürich links liegen zu lassen – das war Labsal für die jahrhundertelang geknechteten Winterthurer. Ihren Übermut bezahlten sie allerdings teuer. Die Nationalbahn ging pleite und Winterthur stotterte bis in die 1950er-Jahre Schulden ab. Die politische Verantwortung für das Debakel hatte Stadtpräsident Sulzer zu tragen. Niemand sprach mehr davon, dass alles, was Rang und Namen hatte in der Stadt, sich mit Enthusiasmus hinter das Projekt gestellt hatte.

Und jetzt können wir also endlich wieder dazu stehen: Die Zürcher sind einfach besser! Deshalb sollen nun der ehemalige Zürcher Regierungsrat Markus Notter und der frühere Finanzvorsteher der Stadt Zürich, Martin Vollenwyder, der Stadt helfen, ihre Finanzen zu sanieren. Besonders pikant: Mit Notter hat man ausgerechnet den Vater des neuen Finanzausgleichs ins Boot geholt, den Winterthur als Hauptübel für die heutige Situation bezeichnet. Unterdessen sind einige (bösartige) Stimmen laut geworden, die neues Sparpotenzial wittern und finden, bei dieser Ausgangslage könne man ja die Kosten für die Winterthurer Regierung von gegen 2 Mio. Franken einsparen.

Vielleicht böte sich Hilfe aus Zürich auch für Planungsfragen in finanziell angespannten Zeiten an. Solche Gedanken konnten einem kommen, als die Stadtregierung – gerade mal einen Tag nach der Verkündigung der neuen Sparrunde – das Begehren stellte, den Planungskredit für das geplante 80-Mio-Franken teure Polizeigebäude um 2,2 Mio. Franken aufzustocken.


Kathrin Bänziger,
8.9.2014, 113. Jahrgang, Nr. 95.

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Standpunkte:

9.9.2014, 14:31 Uhr.

Benedikt Zäch schrieb:

Der Aussenblick der «Experten» kann auch dazu dienen, den Innenblick nicht nach Aussen richten zu müssen. «Zürich hilft» hat hier eine besonders ironische Note.


9.9.2014, 12:35 Uhr.

Adrian Mebold schrieb:

Zielquittierung: Volltreffer!


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