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«Wandzeitung» vom 8.10.2014:

Das Gespenst der Griesgrämigkeit geht um:

Sexy Winterthur?

Heute ist an dieser Stelle zu fragen, weshalb es Winterthur im Gegensatz zu Berlin nicht schafft, arm aber sexy zu sein. Die Diskussion in Gang gebracht hat SP-Gemeinderat Fredy Künzler, der kürzlich ernüchtert feststellte: «Berlin ist arm und sexy, aber Winterthur ist arm und griesgrämig». Da schaudert es uns Eingeborene, welche die Griesgrämigkeit seinerzeit noch am eigenen Leib erfahren und ein Leben lang dafür gekämpft haben, dass in unserer Stadt ein bisschen Coolness und Sexiness Einzug hält. Ich will die Leserinnen und Leser an dieser Stelle nicht langweilen mit einem Exkurs über das frühere Leben in dieser Stadt, aber Tatsache war, dass es damals im Stadtpark noch knapp über dem Boden angebrachte kleine Metallschilder gab mit dem Hinweis «Rasen betreten verboten» und dass die Beizen noch um 23 Uhr dichtmachten und uns nur die Flucht in die umliegenden Landgemeinden blieb, um die letzten «Schlummis» zu zechen. Es war auch die Zeit, als ein abendlicher Ausflug nach Zürich damit endete, dass man sich dort die ganze Nacht um die Ohren schlagen musste, weil man es erst mit dem ersten Morgenzug wieder in die heimatlichen Gefielde zurückschaffte.

Und jetzt also meldet sich das Gespenst der Griesgrämigkeit zurück. Griesgrämig, wie es das seinem Namen schuldig ist, kreist es über der Stadt und versucht, schlechte Laune zu verbreiten. Es irrlichtert durch die Zeitungen und verbreitet dort negative Schlagzeilen. Es setzt sich in den Köpfen der Gemeinderätinnen und Gemeinderäte fest und überträgt sich als hochansteckender Virus auf die Stadträtinnen und Stadträte. Es schleicht sich durch die Gassen und fällt sorg- und arglose Passantinnen und Passanten an, es vermiest uns das Abendbier in der Gartenwirtschaft, und es sorgt dafür, dass wir uns alle ein bisschen schuldig fühlen an der Misere der Stadt.

Und dann kommt da frisch und fröhlich, mit einem sphinxhaften Lächeln auf dem Gesicht, die kantonale Finanzdirektorin Ursula Gut daher und verkündet, ohne mit der Wimper zu zucken und mit sorgenfaltenfreier Stirn, dass der Kanton für 2015 ein Defizit von 191 Millionen Franken budgetiert und das auch nur bei optimistischen Annahmen der Wirtschaftsentwicklung. Und sie dämpft auch gleich die üblicherweise berechtigten Hoffnungen, die Rechnung könnte positiver abschneiden als das Budget. Der Hiobsbotschaften nicht genug, fügt sie an, dass trotz Sparmassnahmen auch für 2016 und 2017 mit Defiziten zu rechnen sei. Bei den Investitionen soll dennoch nicht gespart werden, was eine steigende Schuldenlast zur Folge hat. Aber dies sei tragbar, meint Ursula Gut mit stoischer Gelassenheit. Man mag diese Gelassenheit kritisieren, aber was sie da bot, war ja so was von sexy!

Weshalb nur ist bei uns in Winterthur im Moment alles so einzigartig schlimm? Könnten wir uns nicht ein bisschen anstrengen, arm und sexy zu sein? Das würde einfach viel mehr Spass machen, als die sich ausbreitende Griesgrämigkeit. «Wir sind Winterthur!», macht uns der Slogan zum 750-Jahr-Jubiläum beliebt. Ja, gerne. Aber bitte ein bisschen fröhlicher und optimistischer. Nehmen wir uns ein Beispiel an Ursula Gut!


Kathrin Bänziger,
8.10.2014, 113. Jahrgang, Nr. 125.

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Standpunkte:

20.10.2014, 12:01 Uhr.

Martin Stauber schrieb:

... das Privileg von Frau Gut ist, dass sie ab nächsten Frühling nichts mehr verantworten muss ...


11.10.2014, 19:17 Uhr.

Irène Privé-Rickli aus Solothurn - der schön(st)en Barockstadt. schrieb:

Liebe Kathrin, ich wünschte mir für «meine» Stadt ebenfalls eine so scharfsinnige Beobachterin, denn auch bei uns grassiert dieses Virus des Griesgrams!


10.10.2014, 18:49 Uhr.

Peter Schöchlin schrieb:

Ja liebe Kathrin Bänziger, wie kann Winterthur arm und sexy sein, wenn die Mehrheit des Stadtrates – ich nehme mal an, dass die links-grüne Minderheit anders denkt, wobei ich mir da nicht ganz sicher bin – neoliberale Rezepte der neoliberalen Mehrheit aus SVP, FDP, CVP, GLP befolgt. Da kann mensch nur sexy sein, in dem er seine Faust hervor nimmt und gegen den Neoliberalismus zu kämpfen beginnt.


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