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«Wandzeitung» vom 25.2.2018:

EIN SATZ:

Fötzelzeug.

Wenn das heisst regieren, dann heisst furzen musizieren. JEREMIAS GOTTHELF.

Gotthelfs Satz über die gnädigen Herren zu Bern in einem Brief an den Theologen und Schriftsteller Abraham Emanuel Fröhlich ist nicht deswegen bemerkenswert, weil er deutlich und hart ist; hart aber nicht so ungerecht, wie er tönt. Auch nicht deswegen, weil er im Brief neben Schimpfworten steht wie das im Titel, wie Donnersschelme, Spitzbuben, Meineidige, Hosenscheisser und Möffs (berndeutsch für blöde Kerle). Auch von «miserabler Pack» ist die Schreibe, das damals maskulin war und in Zeichen von #MeToo vielleicht bald wieder. Es tönt wie aus dem Sumpf eines sozialen Netzwerks, mit dem Unterschied, dass der Brief nicht zur Veröffentlichung gedacht war. Gotthelf fast ganz postmodern.

Nein, der Satz ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil der Pfarrer von Lützelflüh auch das Amt des Schulinspektors für 18 Schulen in und um die Pfarrgemeinde bekleidete, mithin Behördemitglied war und in direktem Kontakt mit den Donnersschelmen und Spitzbuben stand, die ihn sogar gewählt hatten. Kein Wunder, dass er von ihnen bald wieder abgesetzt wurde.

Es handelt sich also nicht um eine weltfremde, weitab vom Schuss gesetzte Kritik eines Schriftstellers, wie er gerne im Feuilleton mit dem Lorbeer bekränzt wird, der Autor habe sich «eingemischt». Meist ein welker und schaler Lorbeer, bei dem der Wunsch zu Gevatter steht, allenfalls noch der Wille, meist jedoch der Wahn. Und welches Einmischen bestenfalls von ästhetischem, meist jedoch nicht einmal von politischem Wert ist, mithin regelmässig auch hätte gelassen werden können. Gotthelfs Kritik entsteht aus der Knochenarbeit sowohl mit den Schulen als auch mit den Hosenscheissern, nicht aus der bellevue des Elfenbeinturms. Das macht die Kritik wertvoll, aber auch gefährlich. Gotthelf schont dabei neben dem Fötzelzeug auch die Schulmeister im Emmental nicht, deren höchst wechselhafte Begabung und deren Hang zur reinen Wissensvermittlung ihn zum Widerspruch und Widerstand reizt.

Der streitbare Gigant aus dem Emmental predigte scharf von der Kanzel und kanzelte auch in seinem weltlichen Amt den einen oder andern ab. Er war ein Meister der gesprochenen Sprache, aber auch der geschriebenen, in welcher er seine Beobachtungen verdichtete. Und er verfügte über eine ausgesprochene Berufung. Als Pfarrer, wo ihm nichts Menschliches fremd war, als Behördemitglied und als Literat, der seine Erfahrungen dramatisierte. Die heutige Arbeitsteilung verhindert solche Polyvalenz. Das eine wäre mit dem andern unvereinbar, geschweige denn mit dem dritten.

So hören die heutigen Regierungen keine Schlötterlinge mehr aus dem eigenen Pfuhl. Und was von draussen rumpelt, geht vorbei. Man muss es nur auszusitzen wissen. Aber auch moderat formulierte Kritik aus dem Innern, soweit nicht ausgestorben, wird im Gegensatz zu den Lippenbekenntnissen der personalpolitischen Grundsätze in Hochglanzbroschüren ungern gehört. Warten wir ab, wer so alles in nächster Zeit abgesetzt wird.


Adrian Ramsauer,
25.2.2018, 117. Jahrgang, Nr. 56.

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