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«Wandzeitung» vom 7.8.2014:

Die Schweiz und Europa:

Demokratie: Verantwortung tragen.

So, nun haben wir es also schwarz auf weiss. Nach dem 9. Februar ist jetzt klar, dass das, wovor die Gegner der Masseneinwanderungsinitiative gewarnt hatten, eintrifft: Für die EU ist die Personenfreizügigkeit nicht verhandelbar, eine Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, MEI, ist mit gültigem Recht nicht machbar, die bilateralen Verträge sind in Gefahr. Damit kann die EU wohl relativ gut leben, für uns hingegen wird es eng!

Am 9. Februar wollte eine Mehrheit des Volkes ein Zeichen setzen. Ein Zeichen gegen die Überfremdung, den Dichtestress und die Angst, dass jemand einem die Butter vom Brot stibitzen könnte. Interessanterweise sind diese Zeichen, die da gesetzt werden, jeweils in den Regionen, in denen die Bevölkerung nur wenig Kontakt zu Leuten aus anderen Kulturen hat, viel deutlicher als dort, wo Begegnungen zwischen den Kulturen stattfinden, wo zusammen gelebt wird. Das heisst, die Angst bezieht sich nicht auf konkrete Erlebnisse, sondern sie schwebt irgendwo diffus über den Köpfen, sie ist rein prophylaktisch. Und sie wird gezielt geschürt, unter anderem von ältlichen Herren, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die Schweiz vor fremden Einflüssen zu bewahren, einen Stacheldraht ums Stachelschwein zu spannen und in einer Welt zu verharren, die mit meiner so gar nichts zu tun hat.

Tragisch ist, dass diese ältlichen Herren das Potenzial haben, Massen einzuschüchtern, mit ihren Schauerstorys Ängste zu schüren, Mehrheiten dazu zu bringen, in ihrem Sinne Zeichen zu setzen, wie dies am 9. Februar geschah. Ich behaupte, dass ein grosser Teil jener, die für die MEI gestimmt haben, nicht wirklich abschätzen konnte, welche Konsequenzen das letztlich haben würde. Sie wollten einfach «ihr Zeichen» setzen.

Demokratie aber setzt die Bereitschaft voraus, Verantwortung zu übernehmen. Mit dem, was wir an der Urne entscheiden, beeinflussen wir die Geschichte, stellen Weichen für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft, für die Umwelt und für die Menschen, die hier leben und in Zukunft hier leben wollen.

Die Komplexität von Abstimmungsvorlagen und die Schwierigkeit, alle Konsequenzen abschätzen zu können, würde bedingen, dass die Parteien sich ihrer Verantwortung bewusst wären, und seriös informieren, ohne Unbequemes einfach auszublenden. Ich bin nämlich nicht die einzige, die im Vorfeld der Abstimmung gehört hatte, das für die EU die Personenfreizügigkeit nicht verhandelbar sei. Diese Information hatte man auch in Herrliberg.

Und die ältlichen Herren dort wussten auch, dass die EU das nicht nur so dahin sagte, sondern genau so meinte. Es war also schlicht unfair und unlauter, im Abstimmungskampf das Gegenteil zu behaupten. Die selber geschürten Ängste in der Bevölkerung wurden für die eigenen Zwecke missbraucht. Ich frage mich, wie lange sich das die Schweizerinnen und Schweizer noch gefallen lassen.


Christa Benz-Meier,
7.8.2014, 113. Jahrgang, Nr. 63.

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