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«Wandzeitung» vom 4.3.2018:

Promopost:

Return to Sender.

Über den Zaun winkte mir der Postbote zu: “Heute bringe ich Ihnen nichts – ist ja auch nicht so schlimm für einmal“, meinte er gut gelaunt, „ich komme ja am Montag wieder!“ Ich mag diesen kurzen Austausch von Alltäglichkeiten mit Menschen auf der Strasse, im Quartier, es gibt mir ein Gefühl von zuhause sein. Und tatsächlich verbindet mich der Postbote zu einem Teil mit der Aussenwelt, denn er bringt mir schriftliche Neuigkeiten. Plus die adressierte Werbung. Klar schützt mich der „Bitte keine Werbung-Kleber“ am Briefkasten vor dem allzu grössten Mist. Der wird meist nicht per Post verteilt, das wäre zu teuer. Das machen Einzelpersonen mit dem Handwagen, oder dem Privatauto und zu einem Hungerlohn.

Aber eben, Kleber sei Dank bin ich davor verschont. Weder unterstütze ich die lausigen Arbeitsbedingungen, indem ich den Mist entgegennehme und mich damit am System beteilige, noch muss ich all das Hochglanzpapier bündeln, runtertragen und zur Entsorgung vors Haus stellen.

Nein, der Postbote bringt mir nur die persönlich adressierte Werbung. Die Couverts kommen immer raffinierter daher. Es ist anspruchsvoll, einen Absender zu eruieren, abschätzen zu können, ob mich der Inhalt etwas angeht oder nicht. Tasten hilft: Ist Material darin, hat das Couvert ein bestimmtes Gewicht, ist es einfach: Irgendeine Hilfsorganisation schickt mir Material, damit ich denen Geld schicke, weil ich ja etwas von ihnen bekommen habe. Offenbar rentiert das immer noch. Diese dicken Couverts schicke ich zurück mit der Bemerkung, meine Adresse sei zu streichen. Neulich brachte der Postbote aber ein ganz dünnes Couvert der Post.

Mit denen habe ich ein paar Geschäftsbeziehungen, also öffnete ich das Couvert. Darin fand ich einen Brief, unterzeichnet vom Leiter Product Management Promopost und seinem Projektleiter. Es scheint, als hätten sie persönlich unterschrieben. Die beiden Herren teilen mir mit, dass ich in den kommenden Monaten gratis von attraktiven Warenmustern profitieren kann, wenn ich nur den silbrig glänzenden Werbung OK-Keber, der dem Brief beiliegt an meinem Briefkasten befestige.

Dann nämlich erhalte ich ab März jeden Monat ein Warenmuster per Post. Dreimal, März, April und Mai, gratis. Und sollte ich irgendwann im Sommer doch keine Werbung mehr wünschen, würden sie das respektieren. Wie nett von den beiden Herren und überhaupt der Post! Grossartig wie sie mich persönlich informieren über meine Chancen, Warenmuster umsonst zu bekommen!

Als ob ich je dafür bezahlt hätte. Als ob nicht der Inbegriff des Musters eben auch dessen Kostenlosigkeit wäre. Aber das wissen die beiden Herren vermutlich nicht. Wahrscheinlich nehmen sie an, dass ich das auch nicht weiss. Anders gesagt, sie halten mich für blöd. Vielleicht müssen sie mit ihrer Abteilung einfach nur besser rentieren, weil andere Quersubventionierungen innerhalb des Konzerns kürzlich weggefallen sind. Mit mehr Werbung, mehr Umsatz. Da bietet sich dann so eine Aktion an.

So oder anders, ich frage mich jetzt, ob ich den Kleber zur weiteren Verwendung und auf Kosten der Post retourniere und damit für etwas Umsatz sorge oder ob ich ihn direkt in den Müll werfe.


Marlies Bänziger,
4.3.2018, 117. Jahrgang, Nr. 63.

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